Die Verschwoerung von Toledo
Steine des Kataraktes hinunter und tauchte unten tief in das strömende Wasser ein. Die Wirbel schleuderten ihn bis auf den Grund. Er sah nichts außer weißem Schaum und aufgewirbeltem Kies. Algen hielten ihn an Armen und Beinen fest und rissen ab, gaben ihn wieder frei für die Fluten, die ihn jetzt an die Oberfläche schleuderten.
Henri schnappte wieder nach Luft. Schon hatte der Sauerstoffmangel rote Kreise in seinem Kopf erzeugt. Er hustete, er spuckte Wasser, er ruderte mit den Armen. Jetzt konnte er halbwegs kontrollierte Schwimmbewegungen ausführen. Er nutzte das aus und schwamm mit kräftigen Stößen vorwärts.
Gleichzeitig fühlte er langsam seine Kräfte erlahmen. Die harten, tagelangen Bedingungen des Gefangenendaseins hatten ihn geschwächt. Henri mobilisierte seine letzten Reserven. Er musste es schaffen, auch wenn die Wirbel ihn immer wieder zurückwarfen, das jenseitige Ufer zu erreichen! Dort war die Rettung!
Er kämpfte mit erlahmenden Kräften. Dann spürte er, wie etwas neben ihm herschwamm. Wie einen Schatten, den ein großer Leib warf, spürte er den anderen. Harte Fäuste packten ihn. In seine letzten Schwimmbewegungen hinein lenkten sie ihn in eine andere Richtung. Henri, der in den Strudeln die Orientierung verloren hatte, dachte, dorthin will ich nicht. Es ist nicht die Seite, auf der Rettung wartet. Aber dann ergab er sich. Er leistete keinen Widerstand mehr, weder gegen die Fluten noch gegen die Fäuste.
Als Uthman ibn Umar ihn ans Ufer lenkte und Joshua ihn mit Hilfe der beiden Gefährten aus dem Wasser zog, konnte Henri de Roslin nur noch denken: Wie schön ist es, solche Freunde zu haben! Dann lag er auf der Seite und konnte sich nicht mehr rühren.
Als er nach einer Weile langsam wieder zu sich kam, blickte er in ihre sorglosen Gesichter. Uthman, Joshua und zwei fremde Gesellen. Henri richtete sich ächzend auf.
»Wo bleibt ihr so lange? Ich dachte schon, wir sehen uns nie mehr wieder!«
Die anderen lachten. Und Henri fiel in ihr Lachen ein, bis es in ein Husten überging.
Joshua sagte: »Der Christ lebt, es ist ihm nichts passiert, man merkt es sofort an seinen Vorwürfen. So sind Christen.«
»So sind Tempelritter!«, warf Uthman ein. »Sie brauchen Feinde. Lässt man sie einen Moment allein – schon findet man sie im Scharmützel wieder. Ich dachte, du studierst in Toledo die Kabbala, mein Freund! Stattdessen trägst du einen Zweikampf aus mit dem wildesten Fluss im Norden Iberiens.«
»Ein Mann braucht Bewährungen, die ihm angemessen sind, ein Gelehrter werde ich deshalb nie«, entgegnete Henri. »Aber wer sind eure beiden Gefährten?«
Uthman stellte die jungen Sarazenen vor. Henri gab ihnen dankbar die Hand. Beide blickten ihn neugierig und respektvoll an, sagten aber nichts.
Joshua sagte: »Wir sollten gleich aufbrechen. Die Verfolger werden es zwar nicht wagen, diesen Fluss zu überqueren. Aber ihre Pfeile könnten ihn überwinden.«
Henri blickte zurück. »Wie weit war ich in diesem Höllenfluss unterwegs?«
»Ungefähr zweitausend Schritt, eine halbe legua. Sie werden bald hier sein.«
»Stellen wir uns zum Kampf!«, schlug Uthman vor. »Es kann doch höchstens ein Dutzend Männer sein!«
»Das stimmt. Aber Ferrand de Tours ist darunter. Er kämpft für drei.«
»So war er es tatsächlich, der dich überfiel!«, sagte Joshua. »Wir dachten es uns. Du musst uns berichten, was seit Toledo geschah.«
»Das werde ich. Und wir werden gegen die Meute kämpfen. Aber nicht hier und nicht jetzt. Wir wählen uns einen besseren Kampfplatz aus. Sie werden weiter reiten nach Frankreich, auch ohne mich zu haben. Ich nehme an, sie werden in Avignon versuchen, ein Todesurteil gegen mich zu erwirken, um mich jederzeit beseitigen zu können. Ferrand ist rachsüchtig, er wird nicht aufgeben.«
»Der Mann ist wie ein Bluthund, der einmal die Fährte aufgenommen hat!«, meinte Uthman. »Deshalb werden wir ihn auch töten müssen – egal wo. Es muss nur sein, bevor er in Avignon neues Unheil gegen dich erwirken kann.«
»Oder bevor er auf seinem Weg nach Avignon eine weitere blutige Spur durch die Judengemeinden ziehen kann!«, warf Henri ein. »Er haust dort wie ein Berserker.«
Joshua war blass geworden. »Dann stellen wir ihn schon in der nächsten Stadt, die eine Aljama besitzt und auf dem Weg liegt! Eine solche Bestie hat kein Lebensrecht!«
Joshua hatte Henris Reittier Barq am Zügel mit sich geführt. Henri streichelte die Nüstern des stolzen Hengstes und
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