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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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etwas Eigenartiges kennen. Es war ein Schwebezustand im Zusammenleben von Menschen, der von niemandem diktiert zu werden schien. Es gab keine Krieger und Aufpasser, keine geschriebenen Gesetze, keinen Besitz und kein Geld. Und dennoch glitt das Leben in Lalibela dahin wie ein Nachen über einen grünen Teich mit duftenden Seerosen.
    Die hier lebenden Christen sprachen Aramäisch, so konnte sich Henri verständigen. Man riet ihnen, zu der Felsenkirche des alten Königs Neak Wato Leab zu gehen. Dort würden sie auf alle Fragen Antworten erhalten.
    Und während die Schatten weiterwanderten, machten sich Henri und Uthman auf die Suche nach dieser Kirche.
    Sie brauchten nur dem Strom der Menschen zu folgen und standen bald vor der in einem Erdgraben versenkten Kirche Bjet Giorgis, die aus mehreren Monolithen bestand.
    Davor saßen Wandermönche aus Jordanien, sie waren in schmutziges Sackleinen gekleidet, predigten jeder in seinem eigenen Dialekt, aber mit der gleichen erhobenen Stimme vor einer unsichtbaren Zuschauermenge. Ihre Hirtenstöcke klapperten auf den Felsen. Die über mehrere Stockwerke aufragende Kirche war umgeben von einem Irrgarten aus Laufgräben mit Holzbrücken, sie trug auf dem Dach drei ineinander liegende Kreuze, tief unten umspielten Schatten den Sockel. Der Grund der Kirche lag in Dunkelheit. Da sie von der Sonne beschienen und herausgehoben wurde, wirkte es auf Henri und Uthman, als schwebe sie über dem Erdboden.
    Auch Uthman wollte die Kirche von innen sehen. Sie folgten den Bettelmönchen.
    Drinnen war es kalt und dunkel, es roch nach Moder und Weihrauch. Nur durch die halb ovalen, filigranen Obergadenfenster fielen gebündelte Sonnenstrahlen ein und lagen wie Zeigefinger auf goldenen Kostbarkeiten. Dies war also die Kirche der Antworten, eine der Wohnungen des Herrn, halb Kathedrale, halb Moschee, halb Felsen, halb Bauwerk. An einem Ort erbaut, an dem sich vor Jahrhunderten die ersten Christen gegen die Heiden verteidigt hatten.
    Henri schien sie ein Ort für Betende jedes Glaubens zu sein, und er erblickte auch überall Menschen unterschiedlicher Stämme und Rassen. Kniende, sich vor- und zurückbeugende, flehende, sich versenkende, mit der Stirn die Bodenteppiche berührende, Kreuze schlagende Menschen aller Nationen.
    »Wenn es den Priesterkönig gibt, wohnt er in einer solchen Kirche, die für jeden und jede Religion da ist«, flüsterte Henri.
    Uthman nickte nur stumm.
    In diesem Moment verschwand der Zug der murmelnden und singenden Predigermönche in der Tiefe der Halle, dorthin, wo das Felseninnere sich öffnete. Aus der Richtung des Altars kam ein Licht. Als Henri und Uthman näher gingen, lag dort ein phosphoreszierender Stein. Er leuchtete aus seinem Inneren heraus. Davor knieten betende Gläubige. Henri bekreuzigte sich unwillkürlich, Uthman schaute nur beeindruckt, mit schief gelegtem Kopf. Beide hatten sich den Turban abgerissen.
    Henri bekam den Eindruck, die Gläubigen verschwänden in der Erde, so als bewegten sie sich auf eine geheimnisvolle Kraftquelle zu, die ihnen aus dem Inneren entgegenkam. Der Stein leuchtete wie ein ewig strahlender Impuls. Wie…
    Henri wagte das Wort nicht zu denken.
    Uthman sagte an seiner Stelle: »Vielleicht meinen sie diesen Stein mit dem Priesterkönig. Oder es ist sein Geist. Er ähnelt all den Steinen auf der Klosterinsel, nur ist er hundertmal kraftvoller.«
    Henri sagte betont nüchtern: »Es ist vermutlich nichts weiter als ein Felskristall, in dessen Inneren ein Sardin strahlt. Ich erinnere mich, dass in dem Schriftstück, das der Papst von diesem Priesterkönig erhielt, etwas von einem solchen Sardin stand.«
    »Erzähle davon.«
    »Nun, die größten Pforten des Johannes-Palastes, so schrieb der Absender, wenn ich mich recht erinnere, seien aus Sardin. Dieser Stein kann auch Blutfluss stillen und nimmt dem Onyx seinen schädlichen Einfluss. Seine Farbe ist rot, sein Name soll von seinem ersten Fundort Sardes in Lydien abgeleitet sein. Gegen Gift ist der Sardin zusätzlich mit dem Horn der Hornschlange vermischt, kommen vergiftete Speisen auf den Tisch, verfärbt sich das Horn…«
    »Du kennst dich aus.«
    »Die Kabbalisten lieben Buchstabenspiele und Spiele mit Zahlen. Ich erinnere mich, dass für die christlichen Kabbalisten der Sardin der 6. Stein in der Reihenfolge der Apokalypse ist und im 6. Weltalter Christus seine Marter erlitt.«
    »Ein solcher Stein«, sagte Uthman, »in dem sich Wünsche vereinen oder erfüllen, wäre doch ein

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