Die Verschwoerung von Whitechapel
den Anschluss zu verlieren.
Es ging in Richtung Regent’s Park, weit weg von der Gegend, in der Remus lebte. Tellman hielt seine Taschenuhr hoch, um sie im Schein der nächsten Straßenlaterne, an der sie vorüberkamen, abzulesen. Es war fast halb zehn und wurde rasch dunkler.
Mit einem Mal blieb die Droschke stehen. Tellman sprang hinaus. »Was gibt es?«, fragte er und sah in die Dämmerung. Mehrere Droschken standen in der Straße neben dem Park.
»Die da!«, wies der Fahrer nach vorn. »Das ist die, hinter der Sie her sind. Das macht einen Shilling und drei Pence, Sir.«
Die Sache wurde allmählich teuer. Tellman verwünschte sich wegen seiner Begriffsstutzigkeit, zahlte rasch und eilte auf die Gestalt zu, die er undeutlich vor sich sehen konnte. Er erkannte den Mann an der eiligen Art auszuschreiten. Er war
fast sicher, unmittelbar vor einer wichtigen Entdeckung zu stehen.
Sie befanden sich in der Albany Street, kurz vor dem Eingang zum Park. Tellman konnte den äußeren Rundweg deutlich sehen, hinter dem sich der Rasen in der Dämmerung bis zu den Bäumen des fast einen halben Kilometer entfernten Zoologischen Gartens erstreckte.
Remus ging auf den Eingang des Parks zu. Einmal sah er sich um, und Tellman verhielt den Schritt. Es war das erste Mal, dass Remus anzunehmen schien, man könne ihm folgen. Tellman blieb nichts anderes übrig, als ganz natürlich mit schwingenden Armen weiterzugehen. Er beschleunigte sogar den Schritt ein wenig.
Auch Remus setzte seinen Weg fort, sah sich jetzt suchend um. Erwartete er jemanden, oder fürchtete er, beobachtet zu werden?
Tellman suchte den Schatten der Bäume auf und blieb ein wenig zurück.
Einige Spaziergänger schlenderten noch zu zweit oder zu dritt durch den Park. Ganz in der Nähe sah er einen überdurchschnittlich großen Mann. Remus hielt kurz inne, spähte in die Dämmerung, schien mit dem Ergebnis seiner Beobachtung zufrieden zu sein und schritt erneut rasch aus.
Tellman folgte ihm in so kurzem Abstand, wie er es für vertretbar hielt.
Remus blieb vor dem Mann stehen.
Nur allzu gern hätte Tellman gehört, worüber die beiden redeten, doch dazu sprachen sie zu leise. Obwohl er mit in die Stirn gezogener Mütze bis auf wenige Meter an sie heranging, verstand er nichts, sondern sah lediglich den Gesichtsausdruck der Männer. Remus hörte dem anderen mit größter Aufmerksamkeit zu und sah sich nicht einmal um, als Tellman auf der anderen Seite des Weges an ihm vorüberging.
Das Gesicht des äußerst elegant gekleideten Mannes, mit dem Remus sprach, lag im Schatten seiner Hutkrempe. Überdies hatte er auch seinen Mantelkragen hochgestellt, sodass seine Züge nicht zu erkennen waren. Tellman sah lediglich, dass er auf Hochglanz polierte erstklassig geschnittene
Schuhe trug und der Mantel aus teurem Stoff ihm wie angegossen saß. Wahrscheinlich hatte allein der mehr gekostet, als ein einfacher Polizeiwachtmeister in Monaten verdiente.
Tellman folgte dem äußeren Rundweg, bis er den Park am Ausgang zur Albany Street verlassen konnte. An der nächsten Haltestelle nahm er einen Pferde-Omnibus und kehrte nach Hause zurück. Ihm schwirrte der Kopf. Nichts von dem, was er im Laufe des Tages erfahren hatte, schien zusammenzupassen, doch war er inzwischen sicher, dass es eine Lösung gab. Er musste sie lediglich finden.
Am nächsten Morgen schlief er länger, als er beabsichtigt hatte, und erreichte die Wache in der Bow Street gerade noch rechtzeitig zum Dienstbeginn. Dort wartete bereits die Mitteilung auf ihn, dass er sich sofort bei Wetron melden solle. Mit einem unguten Gefühl suchte er ihn auf.
Es war Pitts Dienstzimmer, auch wenn man seine persönlichen Habseligkeiten weggeräumt hatte und Wetrons in Leder gebundene Bücher dastanden. An der Wand hing ein Kricketschläger, vermutlich ein Erinnerungsstück, und auf dem Schreibtisch stand eine Fotografie in einem Silberrahmen, die eine hübsche blonde Frau in einem Spitzenkleid zeigte.
»Ja, Sir?«, sagte Tellman ergeben.
Die farblosen Augenbrauen gehoben, lehnte sich Wetron in seinem Sessel zurück.
»Würden Sie mir berichten, wo Sie sich gestern aufgehalten haben, Wachtmeister? Offensichtlich war es Ihnen nicht möglich, Inspektor Cullen zu informieren …«
Tellman wusste bereits, was er sagen wollte, fand es aber nach wie vor schwierig. Er schluckte. »Ich hatte bisher keine Möglichkeit, ihm etwas zu sagen, Sir. Ich war einem Verdächtigen auf der Fährte und hätte ihn aus den Augen
Weitere Kostenlose Bücher