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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gedauert. Offenbar hatte sie mehr gesagt, als er wissen wollte. Etwas über Adinett?
    Remus trat an den Fahrkartenschalter.
    Zumindest konnte Tellman feststellen, wohin er wollte. Die
Anwesenheit weiterer Menschen in der Bahnhofshalle gab ihm die Möglichkeit, näher heranzugehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Er versteckte sich hinter einer jungen Frau mit einer Tuchtasche, die einen hellblauen weiten Rock trug.
    »Einmal zweiter Northampton hin und zurück«, sagte Remus rasch und erregt. »Wann geht der nächste Zug?«
    »Erst in einer Stunde, Sir«, teilte ihm der Mann am Schalter mit. »Das macht vier Shilling, acht Pence. Umsteigen in Bedford.«
    Remus gab ihm das Geld und nahm seine Fahrkarte entgegen.
    Tellman wandte sich rasch ab und verließ den Bahnhof. Dabei überlegte er: Northampton? Das war sehr weit! Welche mögliche Verbindung konnte da bestehen? Hinzufahren würde ihn Zeit und Geld kosten, und beides konnte er sich nicht leisten. Er neigte nicht zu impulsiven Handlungen. Hinzu kam, dass es ein äußerst großes Risiko bedeutete, Remus dorthin zu folgen.
    Ohne sich bewusst für etwas entschieden zu haben, ging er die St. Pancras Street in Richtung auf das Krankenhaus zurück. Bis zur Abfahrt des Zuges blieb eine volle Stunde. Selbst wenn er sich eine Dreiviertelstunde im Krankenhaus aufhielt, blieb ihm notfalls immer noch genug Zeit, zum Bahnhof zurückzukehren, eine Fahrkarte zu kaufen und den Zug zu erreichen.
    Wer war dieser William Crook? Warum war seine Religionszugehörigkeit von Bedeutung? Wonach hatte Remus Crooks Witwe gefragt, abgesehen von einer Verbindung mit der Cleveland Street? Tellman war wütend auf sich, weil er der Sache nachging, und auf alle anderen, weil Pitt in Schwierigkeiten war und niemand etwas dagegen unternahm. Überall herrschte Ungerechtigkeit, doch die Menschen kümmerten sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten, ohne nach links und rechts zu sehen.
    Er überlegte, wie er Gracie mitteilen würde, dass all das keinen rechten Sinn ergab und möglicherweise ohnehin nichts mit Adinett zu tun hatte. Jedes Mal, wenn er sich die richtigen Worte zu überlegen versuchte, klangen sie wie billige Ausflüchte. Er konnte ihr Gesicht so deutlich vor sich sehen, dass es ihn verblüffte.
Er sah alles ganz genau, die Farbe ihrer Augen, den Lichtschimmer auf ihrer Haut, die Schatten ihrer Wimpern, die Art, wie sie immer ein oder zwei Strähnen ihres Haares an der rechten Schläfe ein wenig zu fest nach hinten zog. Die Form ihres Mundes war ihm ebenso vertraut wie sein eigener im Rasierspiegel.
    Sie würde einen Fehlschlag nicht hinnehmen, sondern ihn dafür verachten. Er sah den Ausdruck in ihren Augen schon vor sich, und es schmerzte so sehr, dass er zu dem Ergebnis gelangte, er dürfe es nicht so weit kommen lassen.
    Er kehrte um und ging in Richtung Westen auf das Haus mit der Nummer 9 zu. Wenn er anfing, über das nachzudenken, was er da tat, würde er seine Entschlusskraft verlieren, und so überlegte er erst gar nicht. Er ging zur Tür des Hauses und klopfte an, seinen Dienstausweis in der Hand.
    Die Riesin öffnete.
    »Ja?«
    »Guten Morgen, Ma’am«, sagte er und merkte, dass ihm fast der Atem stockte. Er zeigte ihr seinen Ausweis.
    Die Frau sah ihn mit unbeweglichem Gesicht aufmerksam an. »Schön, Wachtmeister Tellman, was wollen Sie?«
    Sollte er es mit der Autorität seines Amtes oder mit einem gewinnenden Lächeln versuchen? Es war schwierig, einer Frau ihrer Größe und ihres Auftretens gegenüber Amtsautorität einzusetzen, und noch nie im Leben war ihm weniger zum Lächeln zumute gewesen. Er musste etwas sagen, er merkte an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie ungeduldig wurde.
    »Ich untersuche ein äußerst schweres Verbrechen, Ma’am«, sagte er mit größerer Festigkeit, als er empfand. »Vor etwa einer halben Stunde bin ich einem Mann hierher gefolgt, mittelgroß, leicht rötliches Haar, ein scharf geschnittenes Gesicht. Ich nehme an, dass er Ihnen bestimmte Fragen über den verstorbenen Mr. William Crook gestellt hat.« Er holte tief Luft. »Ich muss unbedingt wissen, was für Fragen das waren und was Sie ihm gesagt haben.«
    »Ach ja? Und warum, Wachtmeister?« Sie hatte einen ausgeprägten schottischen Westküstenakzent, der ihm überraschend angenehm in den Ohren klang.
    »Den Grund kann ich Ihnen aus Gründen der Amtsverschwiegenheit nicht nennen, Ma’am. Ich muss einfach wissen, was Sie ihm gesagt haben.«
    »Er hat mich sehr eindringlich gefragt, ob wir

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