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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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fragte sie: »Wer ist das?«
    »Das weiß ich selbst nicht«, gab er zu. »Jedenfalls ist er da Ende vorigen Jahres eines natürlichen Todes gestorben. Remus schien es für wichtig zu halten, dass er Katholik war. Außerdem spielt es möglicherweise eine Rolle, dass er eine Tochter hatte, die bei dem Tabakhändler in der Cleveland Street gearbeitet hat, und dass seine Mutter eine Kusine von Mr. Stephen war, der sich im Irrenhaus von Northampton zu Tode gehungert hat.«
    »Wovon reden Sie eigentlich?«, fragte sie entgeistert.
    Er berichtete ihr von der Bahnfahrt nach Northampton und was er dort in Erfahrung gebracht hatte. Sie saß schweigend da und sah ihn unverwandt an. »Und der war also Lehrer bei dem armen Prinzen Eddy, der kürzlich gestorben is?«
    »So heißt es«, bestätigte er.
    Sie krauste die Stirn. »Was hat das denn mit der Cleveland Street zu tun? Was wollte Adinett da?«
    »Ich weiß es nicht«, musste er erneut zugeben. »Aber Remus scheint sicher zu sein, dass sich dahinter etwas Bestimmtes verbirgt. Sie hätten sein Gesicht sehen sollen, dann wäre Ihnen das auch klar. Wie ein Bluthund auf der Fährte. Er hat praktisch vor Aufregung gezittert, und er hat gestrahlt wie ein Kind bei der Weihnachtsbescherung.«
    »Irgendwas in der Cleveland Street muss das alles in Gang gesetzt haben«, sagte sie nachdenklich und verzog das Gesicht. »Und Fetters und Adinett haben davon gewusst.«
    »So sieht es aus«, gab er ihr Recht. »Und ich bin entschlossen festzustellen, was das war.«
    »Aber vorsichtig!«, mahnte sie ihn mit besorgtem Blick. Unwillkürlich streckte sie über den Tisch hinweg die Hand nach ihm aus.
    »Keine Sorge«, antwortete er. »Remus hat nicht gemerkt, dass ich ihm gefolgt bin.« Er legte seine Hand auf ihre und merkte überrascht, wie klein sie war. Wie die eines Kindes. Sie entzog sie ihm nicht, und einen Augenblick lang konnte er an nichts anderes denken.
    »Nich Remus, Dummkopf«, flüsterte sie aufgeregt. »Ihr
neuer Chef, der auf Mr. Pitt seinem Stuhl sitzt. Der packt Sie, wenn Sie aus der Reihe tanzen, und wo landen Sie dann? Auf der Straße, mit nix!«
    »Ich werde aufpassen«, versprach Tellman. Unwillkürlich schauderte er. Er konnte es sich nicht leisten, dass sich Cullen noch einmal über ihn beschwerte oder dass ihn jemand sah, wo er nichts zu suchen hatte. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr hatte er sich bemüht, die Stellung zu erreichen, die er jetzt innehatte, und sofern er bei der Polizei entlassen würde, würde er nicht nur sein Einkommen einbüßen, sondern möglicherweise auch keine andere Stelle finden, weil ihm niemand Referenzen geben würde. Auf der anderen Seite gab es nichts anderes, was er gern getan hätte oder hätte tun können. Sein ganzes Leben wäre beeinträchtigt, alle Werte, für die er gelebt hatte, wären in ihr Gegenteil verkehrt.
    Und wie konnte er ohne Anstellung und dann auch bald ohne Unterkunft je so werden, wie er sein wollte, ein Mann wie Pitt mit einem Heim und einer Frau … wie konnte er der Mann sein, als den sich Gracie ihn wünschte?
    Er sprach weiter, um seine trüben Gedanken zu vertreiben. Jetzt hatte er sich auf die Sache eingelassen, ganz gleich, was sie ihn kosten würde. Er musste hinter die Wahrheit kommen, um Pitts willen, um Gracies willen, um seiner Selbstachtung willen.
    »Nach der Rückkehr aus Northampton hat Remus in einer Gaststätte zu Abend gegessen, statt gleich nach Hause zu gehen. Weil er immer wieder auf die Uhr gesehen hat, habe ich angenommen, dass er noch irgendwohin wollte – und richtig, er ist dann mit einer Droschke zum Regent’s Park gefahren, wo er offenkundig mit einem Mann verabredet war.«
    »Was für ein Mann war das?«, fragte sie leise. Sie hielt ihre Hand ganz still, so, als solle er nicht merken, dass sie nach wie vor unter der seinen lag.
    »Ziemlich groß und sehr gut gekleidet«, gab er zur Antwort. Er spürte die kleine Hand unter seinen Fingern und hatte das Bedürfnis, sie fester zu halten. »Den Mantelkragen hatte er hochgeschlagen – mitten im Sommer – und die Melone tief in die Stirn gezogen. Ich konnte also sein Gesicht nicht richtig sehen. Obwohl ich nur ein paar Schritte entfernt stand, habe
ich kein Wort von dem mitbekommen, was sie gesagt haben, denn sie haben praktisch geflüstert.«
    Sie nickte, ohne ihm ins Wort zu fallen.
    »Dann ist Remus aufgeregt ganz schnell wieder gegangen. Er muss da hinter einer großen Sache her sein. Falls die mit Adinett zu tun hat, könnten wir

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