Die Verschwundenen
x-beliebiger Wohnungsschlüssel. Es waren nicht einmal die eingefrästen Punkte darauf, die er von anderen Sicherheitsschlössern kannte.
»Und wie haben Sie ihn erkannt, wenn nicht mal die Polizei von New York etwas darüber weiß?«
Decker lächelte und zog einen ähnlichen Schlüssel aus der Tasche. »In meinem Job lernt man Sicherheit schätzen«, sagte sie. »Kommen Sie mit! Wir rufen bei der Firma an und lassen die Schlüsselnummer prüfen. Mit etwas Glück stehen wir bald mitten in dem Leben, das Laura Robinski in den letzten drei Jahren geführt hat.«
*
Kaum hatte Cotton eine Adresse, schwang er sich in seinen Dienstwagen und fuhr los.
Decker blieb im HQ des G-Teams und kümmerte sich um einen Durchsuchungsbefehl, um den Techniker der Sicherheitsfirma SealEt, um ein Team der Spurensicherung und alles andere, was für den ordnungsgemäßen Ablauf notwendig war. Aber Cotton glaubte nicht, dass sie diesen Fall lösen würden, indem sie am Schreibtisch Papiere wälzten.
Er fuhr am Silver Lake Park auf Staten Island entlang und betrachtete die Umgebung – schmucke Einfamilienhäuser oder kleinere Gebäude sowie einige wenige große Komplexe mit zumeist backsteinroten Fassaden. Es gab viel Grün dazwischen und rings um den See, der inmitten des Parks funkelte.
»Da sage noch mal einer, Verbrechen lohnt sich nicht«, murmelte Cotton vor sich hin.
Jedenfalls, wenn man auf eher kleinstädtischen Charme stand.
Hier also hatte Laura Robinski ihre letzten Tage verbracht.
Cotton parkte den Dienstwagen am Straßenrand und betrat ungeduldig das Haus. Er wedelte dem Concierge mit der Dienstmarke zu, ignorierte den Aufzug und nahm die Treppe.
Als er im dritten Stock auf den Flur trat, kam ihm ein Mann entgegen – ein älterer Bursche mit grauem Bartstreifen am Kinn. Er war klein, schlank und sportlich gekleidet. Alles, was er trug – Turnschuhe, Kapuzenjacke und der schmale Rucksack auf seiner Schulter -, sah nagelneu aus.
Cotton war schon an dem Mann vorbei, als er plötzlich innehielt und sagte: »Augenblick mal!«
Der Mann, der vor dem Aufzug stand, drehte sich um.
Cotton zeigte seinen Ausweis. »FBI«, sagte er. »Kennen Sie die Frau in Apartment 302?«
Der ältere Mann schüttelte den Kopf.
»Ich kann Ihnen ein Foto …«
Der Mann unterbrach ihn: »Tut mir leid. Ich bin nur als Kurier unterwegs und habe gerade eine Sendung für 304 ausgeliefert. Ich bin zum ersten Mal hier im Haus.«
Mit einem Pling! hielt der Aufzug, und der Mann stieg ein. Cotton blickte ihm nachdenklich hinterher, wandte sich dann ab und ging den Flur entlang. Er hatte das Gefühl, dass er den Mann noch etwas hätte fragen sollen, kam aber nicht darauf, was.
Kurz entschlossen klingelte er an der Tür von Apartment 304. »M. Anderson«, verriet das Türschild. Nach wenigen Sekunden wurde er ungeduldig und läutete noch einmal. Wieder meldete sich niemand. Er klopfte an.
»Hallo? Ist jemand zu Hause?«, rief er.
Ich habe gerade eine Sendung für 304 ausgeliefert …
Wenn der Kurier die Wahrheit gesagt hatte, musste jemand zu Hause sein.
An der Sache stimmte etwas nicht – und im selben Augenblick fiel Cotton auch ein, was ihm an dem Mann so seltsam vorgekommen war: Der weiße Streifen, der unter dem Jackenärmel hervorgelugt hatte. Cotton hatte dieses Detail kaum bewusst wahrgenommen, aber es war nicht irgendein Shirt gewesen, das der Mann unter der Kleidung getragen hatte. Es war der Ärmel einer Schutzkleidung, wie auch die Spurensicherung sie verwendete!
»Verdammt!« Cotton machte auf dem Absatz kehrt und rannte zur Treppe.
Aber der Vorsprung des angeblichen »Kuriers« war viel zu groß, und nach wenigen Schritten überlegte Cotton es sich anders. Er lief zum Fenster am Ende des Flurs. Dahinter befand sich die Feuertreppe. Cotton öffnete die Notentriegelung und sprang auf das Stahlgerüst, das sich über die gesamte Flanke des Apartmenthauses zog.
Mit langen Sprüngen eilte er die Feuertreppe hinunter, nahm immer drei, vier Stufen auf einmal. Es schepperte bei jedem Schritt, und das ganze Außengerüst vibrierte. Auf dem letzten Absatz war die Nottreppe hochgezogen. Cotton nahm sich nicht die Zeit, sie herunterzulassen. Er schwang sich über die Brüstung, hielt sich mit den Armen fest und ließ sich auf den Boden fallen.
Auf dem Rasen rollte er sich ab, rannte um die Ecke und stand wieder vor dem Eingang des Hauses. Keuchend schaute er links und rechts die Straße entlang: Ein paar Autos auf der Straße, ein
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