Die Versuchung
derart verschwenden lasse.“
„Ich bin nach München gekommen, um mein Deutsch zu verbessern – und das habe ich getan.“
„Das stimmt natürlich, aber Sie haben von Anfang an sehr gut Deutsch gesprochen. Isabelle fällt es zum Glück auch sehr leicht, Sprachen zu lernen, sie spricht und schreibt vor allem ausgezeichnet Französisch und das wird ihr sehr zugute kommen, wenn sie nächstes Jahr ihre erste Stelle in Frankreich antritt.“
„Isabelle wird nach Frankreich gehen?“
„Ich war anfangs sehr dagegen, dass sie ins Ausland geht, aber sehen Sie, hier auf dem Land müsste sie wohl für immer unverheiratet bleiben, und da ihre Schwester eine so gute Partie gemacht hat, so wäre sie sicher nicht damit einverstanden, die Frau eines Försters oder eines Schmiedegesellen zu werden.“
„Nein, sicher nicht“, sagte Hamilton.
„Und so hübsch wie sie nun einmal ist und sicher auch die nächsten Jahre sein wird, so würde es mich nicht wundern, wenn sie in Frankreich jemanden fände ...“
„Da haben Sie ganz recht“, bemerkte Hamilton.
„Oder wenn der alte Graf Zedwitz sterben sollte, so würde sein Sohn vielleicht doch ...“
Hamilton begann, gereizt auf und ab zu gehen.
„Ich sehe, dass Sie das nicht interessiert“, sagte Madame Rosenberg. „Warum sollten Sie sich auch darum kümmern, wen sie heiratet oder wohin sie geht oder was überhaupt aus uns allen wird. In ein paar Wochen werden Sie wieder in England sein und uns schnell vergessen.“
„Kennen Sie mich wirklich so schlecht?“, fragte Hamilton. „Ich werde Sie und die glücklichen Tage, die ich in Ihrem Haus verbracht habe, nie vergessen. Ich werde Ihnen meine Adresse in London dalassen und hoffe, dass Sie und Isabelle mir oft schreiben werden. Wenn Franz in den Ferien nach Hause kommt, dann erwarte ich einen langen Brief.“
Nach dem Abendessen, als Madame Rosenberg nach den Kindern sah, saßen Isabelle und Hamilton schweigend nebeneinander. Beide fürchteten, ungewollt Schwäche zu verraten. Schließlich begab sich Herr Wolf nach unten in sein Schlafzimmer, Madame Rosenberg begann ihren abendlichen Rundgang durchs Haus und Hamilton wünschte allen eine gute Nacht. Er wartete, bis er hörte, dass auch Isabelle in ihr Zimmer ging, dann klopfte er leise und als sie die Tür öffnete, sagte hastig: „Isabelle, ich werde morgen keine Gelegenheit haben, alleine mit Ihnen zu sprechen, deshalb muss ich Sie jetzt bitten, mir alle meine Fehler und Schwächen zu verzeihen und sie zu vergessen.“
„Ich kann mich an keine erinnern“, sagte Isabelle.
„Ich weiß, dass Sie glauben, ich hätte versucht, Ihre Liebe ohne eine bestimmte Absicht zu gewinnen. Das ist wahr – ich meine, das war am Anfang wahr. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich muss aber noch gestehen, dass mir der Ausgang des Antrags von Graf Zedwitz damals nicht leid tat. Ich weiß jetzt auch, dass ich nicht mit Ihnen hätte hierher kommen dürfen – noch weniger hätte ich versuchen sollen, Sie eifersüchtig zu machen oder ...“
„Oh, ich erteile Ihnen für alles Absolution“, unterbrach ihn Isabelle. „Ich hoffe, dass Sie Ihrerseits vergessen, wie oft ich unbeherrscht und zornig war.“
„Das habe ich bereits vergessen. Ich wünschte, ich könnte auch alles andere vergessen, was sich in den letzten elf Monaten ereignet hat. Es waren elf Monate, nicht wahr?“
„Ja, ich glaube“, sagte Isabelle nachdenklich. „Es kommt mir so vor, als wären es elf Jahre gewesen, so sehr hat sich mein Leben in dieser Zeit verändert.“
Das näher kommende Klirren des Schlüsselbundes bewog Hamilton dazu, hastig zu flüstern: „Ich werde mich morgen vor Zeugen von Ihnen nicht so verabschieden können, wie ich es gern tun würde. Ich hätte auch sicher nicht den Mut, Sie nochmals zu bitten, die kleine Uhr anzunehmen, die Sie mir zu Weihnachten wieder zurückgegeben haben. Werden Sie sie jetzt behalten?“
„Ja, wenn es Ihr ausdrücklicher Wunsch ist, obwohl ich etwas weniger Wertvolles als Erinnerung vorgezogen hätte. Ich wünschte, ich könnte Ihnen auch irgendetwas geben, aber ich habe nichts, gar nichts.“
„Warten Sie“, sagte Hamilton zögernd, „Sie haben etwas, das Sie sehr schätzen, obwohl ich nicht weiß, weshalb, ein kleines rätselhaftes Spielzeug, das ich gern besitzen würde.“
„Sagen Sie, was Sie meinen, und es gehört Ihnen“, antwortete Isabelle.
Er deutete auf das kleine Armband aus schwarzen geflochtenen Haaren, das sie ständig trug.
„Oh,
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