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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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mein Armband!“, rief Isabelle. „Wenn Sie es wünschen – natürlich.“ Hamilton war überrascht, in ihren Augen Tränen zu sehen, als sie sich bemühte, den Verschluss zu öffnen.
    „Ich möchte es nur deshalb als Andenken aufbewahren, weil es Ihnen etwas bedeutet“, sagte er entschuldigend. „Aber sagen Sie mir, aus wessen Haaren es angefertigt wurde. Ich hoffe, es sind nicht die von Mademoiselle Hortense.“
    „Nein“, sagte Isabelle und hielt es ihm hin.
    „Wessen Haare sind es denn?“, fragte er erneut, aber Isabelle zog sich blitzschnell in ihr Zimmer zurück, gerade rechtzeitig, ehe ihre Stiefmutter bei ihnen angekommen war. Sie fand Hamiltons Tür verschlossen und Isabelle angekleidet auf ihrem Bett liegen, den Kopf in ihr Kissen vergraben. Und Hamilton ahnte nicht, dass das Armband, das Isabelle monatelang getragen hatte, aus seinen eigenen Haaren geflochten war, angefertigt zu der Zeit, als er nach seinem Sturz vom Pferd am Kopf verwundet worden war.
    Am nächsten Morgen hatte sich die ganze Familie versammelt, um ihn zu verabschieden. Madame Rosenberg wischte sich die Tränen mit einem großen Taschentuch vom Gesicht. Die beiden Knaben waren angesichts der feierlichen Stimmung am Frühstückstisch ganz verstört und wagten nur zu flüstern. Isabelle war bleich wie eine antike Statue. Hamilton schüttelte Herrn Wolf die Hand, umarmte die Kinder und Madame Rosenberg und hielt Isabelles Hand gerade so lange fest, dass es nicht auffällig war und er fühlen konnte, dass sie noch immer aus Fleisch und Blut bestand. Als er sich bei der Abfahrt in der Kutsche umdrehte, um einen letzten Blick auf sie zu werfen, stand sie völlig regungslos auf der Stelle, wo er sie verlassen hatte, und sie stand noch dort, als der Wagen mit Hamilton längst außer Sichtweite war.
     
    Spät am Abend des nächsten Tages kam Hamilton in Hohenfels an, wie das Landgut von Baron Zander genannt wurde. Ein schmaler Weg führte an einigen größeren Bauernhäusern vorbei hinauf auf eine Anhöhe. Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass er von hier aus in der Ferne den Chiemsee sehen konnte. Er befand sich folglich nur einige Stunden Fahrt von Seeon entfernt. Hamilton hatte sich nicht die Zeit genommen, seine genaue Ankunft per Telegramm anzukündigen, und so traf er die Baronin allein an; der Baron war auf der Jagd und würde erst morgen zurückkommen. Beim Abendessen erzählte ihm die Baronin, dass die Familie Zedwitz entfernt mit ihr beziehungsweise mit ihrem Mann verwandt sei und man sich häufig bei gesellschaftlichen Anlässen begegne.
    „Der alte Graf bringt sich, so schnell er kann, mit Schwitzkuren und kaltem Wasser um, das wissen Sie ja. Seine Frau hatte vor ein paar Monaten einen leichten Schlaganfall, von dem sie sich aber einigermaßen wieder erholt hat, Agnes ist verheiratet, und der junge Graf ist aus der Armee ausgetreten und viel auf Reisen – die Gründe dürften Ihnen bekannt sein. Er war einige Wochen lang unser Gast, und es war damals offensichtlich, dass er völlig verzweifelt war. Er hat mir sein Herz ausgeschüttet und stundenlang über die schöne Isabelle gesprochen.“
    „Er hat Ihnen also die ganze Geschichte erzählt?“, fragte Hamilton.
    „Ja, das hat er, und alles was Sie betrifft auch – jedenfalls alles, was er über Sie wusste. Er schien in Ihnen einen gefährlichen Nebenbuhler zu sehen. Jedenfalls hofft er wohl insgeheim, dass sein Vater demnächst stirbt, denn nach seinem Tod würde er seinen Heiratsantrag wiederholen, wie er damals versicherte.“
    „Ich bewundere seine Zuversicht und seine Ausdauer“, sagte Hamilton ironisch, „eine solche Abfuhr, wie man sie ihm erteilt hat, würde ich mir sicher kein zweites Mal abholen wollen.“
    „Die Umstände könnten ihm aber entgegen kommen“, erwiderte die Baronin. „Die Liebesgeschichte zwischen Ihnen und Isabelle, sofern es jemals eine gab, wird beendet sein, sobald Sie in England sind. Sie sind ja sicher abgereist, ohne der jungen Dame irgendwelche Versprechen für die Zukunft zu machen. Vermutlich wird sie Ihnen eine Zeitlang nachtrauern, aber sie ist sehr jung und wird im Laufe der Zeit über die Geschichte hinweg kommen. In ein paar Jahren wird es Maximilian vermutlich frei stehen, sich eine Ehefrau nach seinem Geschmack auszusuchen. Warum sollte er dann erneut abgewiesen werden? Er ist ein Mann mit vielen guten Eigenschaften. Und schüchterne Männer erobern das Herz einer Frau oft leichter als wahre Draufgänger. Hinzu kommt,

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