Die Versuchung
Schnee von ihrem Mantel klopfte, „ich bin sehr weich in den Schnee gefallen.“
Der Schlitten wurde wieder aufgerichtet, sie stiegen ein und galoppierten davon. „Ich habe gegen die Auflagen Ihrer Mutter verstoßen“, sagte Hamilton. „Sie hat uns verboten, den Schlitten zu verlassen. Es würde mir nichts ausmachen, von ihr gescholten zu werden, aber Major Stutzenbacher würde ich ungern triumphieren sehen. Er wird mich auslachen!“
„Ich halte es für unnötig, etwas von der Sache zu erzählen“, sagte Isabelle.
Bei der Rückfahrt fuhr Hamilton so schnell an dem Mietschlitten der anderen vorbei, dass er nicht auf ihre Rufe achteten, dass sie noch einmal nach Nymphenburg fahren wollten. Vielleicht verleitete ihn der Wunsch, eine weitere halbe Stunde mit seiner Begleiterin allein zu sein, dazu, die Pferde zum schärfsten Trab anzutreiben. Um so größer war seine Enttäuschung, als sie im Treppenhaus auf Graf Raimund trafen.
„Isabelle, ich muss mit dir sprechen!“, sagte er fordernd.
„Sprich!“, sagte sie und ging weiter.
„Ich muss dich etwas fragen, aber – unter vier Augen.“
„Dieser Tonfall gefällt mir nicht, mein Lieber“, begann Hamilton.
Isabelle wandte sich um, sah Raimunds Blick, wurde blass und bat Hamilton leise, voraus zu gehen, sie werde gleich nachkommen.
„Wünschen Sie wirklich, dass ich gehen soll?“, fragte er zögernd. „Wollen Sie wirklich allein mit Ihrem Cousin sprechen? Sie wissen, dass selbst seine Verwandtschaft ihn nicht dazu berechtigt ...“
Graf Raimund machte eine heftige Bewegung. Isabelle stellte sich zwischen sie und sagte hastig: „Ich – wünsche mit Philipp zu sprechen!“
Hamilton presste die Lippen zusammen und stieg allein die Treppe hoch. Sobald er nicht mehr zu sehen war, sagte Isabelle ungeduldig: „Deine Frage, Philipp, schnell! Ich habe nicht die Absicht, lange hier im kalten Treppenhaus zu stehen.“
„Ganz ruhig, Isabelle – du denkst vielleicht, dass keine Gefahr droht, weil ich deinen Liebsten nicht mehr sehe – aber du siehst, wie sehr er auf Streit aus ist.“
„Deine Frage!“, wiederholte Isabelle.
„Hat dieser – dieser Engländer sich erdreistet, das Schlittenrecht von dir zu fordern?“
„Nein.“
„Hat er etwa keinen Wert darauf gelegt?“
„Sehr wahrscheinlich. Hast du sonst noch etwas zu sagen?“
„Ja, du falsche Schlange!“, rief Raimund. „Du weißt ganz genau, dass er dich liebt. Jeder seiner Blicke verrät es, aber wenn du ihm das gewährst, was du mir so hartnäckig verweigerst, dann soll er mit seinem Leben dafür büßen!“
„Was redest du da!“, rief Isabelle empört. „Wenn Herr Hamilton wüsste, was ...“
„Sag es ihm! Sag es ihm! Ich wünsche nichts mehr als dass es zum Äußersten kommt. Was hätte ich zu verlieren? Du kennst meine finanzielle Lage, füge eine verzweifelte und hoffnungslose Liebe hinzu und die Gewissheit, in zwei Wochen eine Frau heiraten zu müssen, für die ich weder Liebe noch Bewunderung empfinden kann.“
„Die aber beides verdient!“, rief Isabelle.
„Mag sein – ich wünsche Caroline alles Glück – mit einem Anderen. Was mich betrifft – so wünschte ich zu sterben – bald und schnell zu sterben – aber nicht von meiner eigenen Hand. Nicht durch Selbstmord. Es wäre mir durchaus recht, von Hamilton im Duell getötet zu werden. Er müsste dann natürlich Bayern und dich für immer verlassen – aber es ist auch gut möglich, dass ich ihn erschießen würde. Ich hasse ihn so sehr, dass die Versuchung unwiderstehlich sein wird.“
„Mein Gott – wie kannst du so reden? Ihn umbringen?“, sagte Isabelle entsetzt.
„Der Tod ist meine einzige Zuflucht. So lange ich die leiseste Hoffnung hatte, deine Liebe zu erringen, war ich ein anderer Mensch. Du hättest aus mir machen können, was du wolltest. Und ich hätte deine Liebe sicher gewonnen, wenn mir nicht dieser arrogante Engländer im Wege stehen würde, denn du warst dabei, mich lieben zu lernen ...“
„Als Cousin ...“
„Mehr als das, Isabelle, weit mehr als das!“, rief Graf Raimund heftig.
„Was würde es nützen, wenn ich dich nicht nur als Cousin geliebt hätte! Wir sind zu nahe miteinander verwandt, um heiraten zu dürfen.“
„Es ist nichts leichter, als eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten“, sagte er.
„Aber wir haben beide kein Vermögen ...“
„Ich könnte die Armee verlassen. Es gibt viele Stellen, die ich antreten könnte. Wir wären natürlich arm, aber was ist Armut,
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