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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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Herr Hamilton fährt in einem wunderschönen Schlitten die Straße hinauf und die Pferde haben rote Quasten und silberne Glöckchen. Oh, wie hübsch! Wie gerne ich mit ihm darin fahren würde!“
    „Babette!“, rief Herr Rosenberg aus dem angrenzenden Zimmer. „Herr Hamilton kommt soeben an unserem Haus vorbei und scheint bester Gesundheit zu sein. Wie lange willst du seine Quarantäne noch dauern lassen?“
    „Ich habe nichts dagegen, wenn er morgen wieder kommt“, antwortete Madame Rosenberg. „Du kannst es ihm, wenn du willst, heute Nachmittag sagen.“
    „Ich gewiss nicht!“, sagte ihr Gatte. „Du hast ihn verbannt und du magst ihn auch zurückrufen. Vermutlich gefällt es ihm im Hotel recht gut und er trifft dort viele Bekannte. Ich muss gestehen, dass ich ihn mehr vermisse als ich erwartet hatte.“
    „Ich wünsche natürlich seine Rückkehr“, antwortete Frau Rosenberg, „aber ich muss gestehen, dass ich nichts dagegen habe, wenn er noch ein wenig dort bleibt, wo er ist. Ich kann kaum glauben, dass er der Cholera entgehen wird. Er ist zu leichtsinnig, er geht ständig ohne Schal ins Freie und vergisst den Schirm, obwohl es regnet … er trägt dünne Socken und keine Flanellweste. Er heizt seinen Ofen und öffnet gleichzeitig die Fenster – was kann man bei einem solchen Benehmen erwarten?“
    „Wie du willst, meine Liebe“, sagte ihr Mann. „Du weißt, dass ich nie dafür gewesen bin, Mieter in unser Haus aufzunehmen. Er ist der Erste, den ich angenehm fand. Aber ich glaube nicht, dass er lange sowohl hier als auch bei Havard Miete zahlen will.“
    „Sicher nicht – obwohl er ziemlich sorglos mit Geld umgeht.“    
    „Mag sein. Er gibt sicher mehr aus als nötig; er lädt sich beinahe jeden Abend Gäste ein.“
    „Das glaube ich nicht.“
    „Du kannst es glauben – ich habe gestern nach dem Theater bei ihm zu Abend gegessen.“
    „Du?“
    „Ja – es waren noch drei Engländer da und der kleine Oberleutnant, der überall hingeht und Karten spielt.“
    „Der Oberleutnant! Wie hat Herr Hamilton ihn kennen gelernt?“
    „Sonderbar genug. Er traf ihn eines Abends, ehe er nach Seeon kam, im Englischen Garten und schlug ihn entweder nieder oder er wurde von ihm niedergeschlagen – ich habe vergessen, wie es war. Aber Hamilton hat ihn zum Abendessen eingeladen, ohne sich an seinen Namen zu erinnern, und ich habe sie in aller Form einander vorgestellt.“
    „Also so etwas habe ich noch nie gehört!“, rief Madame Rosenberg.
    „Er würde sehr gerne zu uns zurückkehren“, fuhr ihr Mann fort, „er hat es mir gesagt, als ich mich verabschiedet habe. Er sagte auch, dass er sich nur Gäste einlädt, um nicht allzu oft an unseren Haushalt zu denken.“
    „Oh, wenn das so ist, dann halte ich es geradezu für meine Pflicht, ihn zurückzuholen, damit er nicht unnötig Geld ausgibt“, sagte Frau Rosenberg.
    Isabelle und Sophie hatten das Gespräch durch die offene Tür mitangehört.
    „Es gefällt mir, dass er den Oberleutnant zum Essen eingeladen hat, ohne seinen Namen kennen. Dir nicht auch? Es ist so englisch! Und es freut mich, dass er wieder zu uns kommt“, sagte Sophie.
    „Das sollte dir ganz gleichgültig sein“, erwiderte Isabelle.
    „Aber ich kann nicht so gleichgültig sein wie du!“, rief Sophie. „Und wenn ich auch den Major heirate, so kann Herr Hamilton trotzdem meine heimliche Liebe sein, sagt Olivia.“
    „Olivia Berger redet eine Menge Unsinn!“, sagte Isabelle heftig.
    „Und doch könnte sie dir einige gute Ratschläge geben“, bemerkte Sophie altklug.
    „Ich nehme von so einer Person keine Ratschläge an.“
    „Ihr seid euch doch ähnlich. Sie sagt, sie habe dich noch nie leiden können, aber jetzt, wo du dich in Theo Biedermann verliebt hast, verachte sie dich.“
    „Was für eine alberne Idee!“, sagte Isabelle verächtlich.
    „Olivia sagt, dass Biedermann dich nicht einmal hübsch findet.“
    „Das ist mir völlig gleichgültig.“
    „Und sie sagt, dass er gerade der Richtige sei, um dich zu lehren, dich nicht einfach so in einen Mann zu verlieben.“
    „Ich glaube eher, dass er mich lehren wird, deutsche Briefe fehlerfrei zu schreiben“, antwortete Isabelle.
    „Aber machst du dir wirklich aus keinem was?“, rief Sophie erstaunt. „Du bist immerhin zwei Jahre älter als ich. Olivia dachte zuerst, dass du Herrn Hamilton gern hast, bis ich ihr versicherte, dass du ihn hasst. Dann sagte sie, du wärst vernarrt in unseren Cousin Philipp. Dann meinte

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