Die Versuchung
lächelte und bemerkte: „Herr Hamilton als Engländer weiß nichts von dem Schlittenrecht. Behalten Sie einfach für sich, was Sie meinen, er wird nicht daran denken, es in Anspruch zu nehmen.“
„Er mag es in Anspruch nehmen, von wem er will, nur nicht von Sophie, weiter verlange ich nichts!“
„Welches Recht könnte ich in Anspruch nehmen?“, wollte Hamilton wissen.
Niemand schien bereit, ihn aufzuklären, bis Madame Rosenberg lachend sagte: „Es ist ein altes Recht, dass ein Herr, der eine Dame im Schlitten spazieren fährt, von ihr einen Kuss fordern darf. Aber ich bin mir sicher, dass Sie dieses Recht bei keiner von uns in Anspruch nehmen werden.“
„Ich werde Sophie selbst im Schlitten ausfahren“, sagte der Major.
Sophie beugte sich über ihre Handarbeit und sagte kein Wort.
In der Nacht fiel Neuschnee und am Tag darauf schien die Sonne – so wurde also nach dem Mittagessen der Schlitten angespannt. Als erste Passagiere wurden Madame Rosenberg und Gustel in den Schlitten gehoben und warm eingepackt. Die Pferde galoppierten los und Frau Rosenberg unterdrückte einen Schrei, weshalb Gustel sich fest an Hamiltons rechtem Arm festklammerte.
„Gustel, du darfst weder meinen Arm noch die Zügel festhalten“, rief Hamilton. „Die Pferde werden gleich ruhiger sein“, sagte er zu Madame Rosenberg, die ihre Augen geschlossen und die Lippen zusammengepresst hatte, als ob sie auf das Schlimmste gefasst sei. Die Pferde tanzten und sprangen weiter vorwärts, bis sie auf die Nymphenburger Straße kamen. Hier vermehrte jeder Schlitten, dem sie begegneten, ihre Angst und schließlich sagte sie: „Oh lieber Herr Hamilton … kehren Sie um und bringen Sie mich wieder nach Hause! Ich bin einfach zu ängstlich … und das Kind ängstigt sich auch fast zu Tode … wenn ich nicht in Hausschuhen wäre, so würde ich zu Fuß nach Hause gehen … oh halten Sie an, wenden Sie … wenn die Pferde die Schellen der anderen Schlitten hören, werden sie ganz wild. Bringen Sie uns wieder nach Hause!“
Gustel glaubte angesichts dieser Worte, sie befänden sich tatsächlich in großer Gefahr, und fing an zu weinen, während Hamilton die Pferde wenden ließ und versicherte, dass sie nur wegen des Neuschnees etwas übermütig seien. Bei ihrer Rückkehr stand eine Mietkutsche, die auf Kufen gesetzt war, vor der Haustür, und Sophie, ihr kleiner Bruder Peppi und Major Stutzenbacher waren dabei, einzusteigen.
„Ich will mit euch fahren!“, rief Madame Rosenberg. „Die Pferde von Herrn Hamilton sind einfach zu wild für mich.“
„Das dachte ich mir!“, sagte Stutzenbacher mit offensichtlicher Genugtuung.
„Darf ich Fräulein Isabelle bitten, mit mir zu fahren?“, fragte Hamilton.
„Ja, aber Sie müssen ihr sagen, wie sehr mich die Pferde erschreckt haben, und Sie müssen versprechen, nur auf der Nymphenburger Straße zu fahren, wo wir Sie sehen können, und Sie dürfen nicht weiter fahren als bis zum Schloss und wieder zurück.“
„Abgemacht!“, sagte Hamilton.
Isabelle bewunderte die silbernen Schlangen, die den vorderen Teil des Schlittens verzierten, die silbernen Glöckchen an den Pferdegeschirren und die hübschen roten Quasten. Sie fand die Pferde keineswegs zu wild und genoss die rasche Fahrt im Neuschnee. Nach wenigen Minuten hatten sie den Mietschlitten eingeholt und es dauerte nicht lange, bis sie Nymphenburg erreicht hatten.
„Was sollen wir tun?“, fragte Hamilton. „Ich habe Ihrer Mutter versprochen, nicht weiter zu fahren als bis zum Schloss. Ihr Schlitten ist sicher noch weit hinter uns. Müssen wir jetzt schon wieder zurück fahren?“
„Lassen Sie uns um das Schloss herum fahren, bis sie kommen“, antwortete Isabelle.
Sie fuhren mehrmals herum, jedes Mal schneller als vorher, während der Knecht seine Lederpeitsche knallen ließ. Einige Spaziergänger blieben stehen, um zuzusehen, auch ein Fuhrmann mit einer leeren Kutsche hielt an. Eines seiner Pferde war jung und unerfahren. Als der Schlitten vorbei fuhr, wurde es unruhig und schlug aus – Hamiltons Pferde scheuten, sprangen in den neben der Straße aufgehäuften tiefen Schnee und warfen den Schlitten um. Hamilton hielt die Zügel fest, bis ihm sein Reitknecht zu Hilfe kam, dann sprang er rasch heraus und eilte zu Isabelle, die einige Meter weit aus dem Schlitten geschleudert worden war.
„Sind Sie verletzt, Isabelle?“, fragte er besorgt.
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete sie, während sie aufstand und den
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