Die Versuchung
Erinnerungen gehören.“
„Vielleicht werde ich ihnen auch einen Platz in den meinen einräumen“, erwiderte Olivia, indem sie sich auf das Sofa setzte und ihr Strickzeug aus der Tasche nahm. Ihre Finger bewegten sich mit großer Geschwindigkeit, während sie gleichzeitig ihre Blicke durch den Raum schweifen ließ, als ob sie gar nichts täte.
„Was ist mit euch heute Abend los, Mädchen? Ich habe euch noch nie so langweilig erlebt. Man könnte glauben, wir seien allein, wenn Sie aufhören würden, mit Ihrem Teelöffel zu spielen und sich neben mich setzten, Herr Hamilton.“
Hamilton ging tatsächlich hinüber zum Sofa.
„Nun, morgen ist unser erster großer Ball“, fuhr sie fort. „Sicher haben Sie von unseren Kleidern und den Rosenkränzen gehört?“
„Nein“, sagte Hamilton, „ich bin erst seit gestern Abend wieder hier. Was für ein Ball?“
„Im Museum. Sie sind doch Mitglied der Gesellschaft, oder? Ich werde einen Walzer oder einen Galopp für Sie reservieren.“
„Morgen? Zu dumm, da bin ich zu einem Privatball bei Hofe eingeladen. Wenn es nur einen Tag später wäre.“
„Das ist wirklich zu ärgerlich“, sagte Madame Berger missmutig. „Nächsten Montag soll im Theater ein Maskenball stattfinden – darf ich wenigstens für diesen Ball auf Sie zählen?“
„Werden Sie auch dort sein?“, fragte Hamilton Isabelle.
„Das wird mein Vater entscheiden“, antwortete sie kühl und verließ das Zimmer, ohne ihm einen weiteren Blick zu schenken.
„Komm her Sophie!“, sagte Olivia. „Ich habe einen Plan. Deine Mutter will für ein paar Tage zu ihrem Vater – warum nicht nächsten Montag?“
„Die Mama wird uns nicht mit dir allein lassen!“, sagte Sophie.
„Das hatte ich vermutet, deshalb habe ich die alte Ludwig überredet, mit uns zu kommen. Sie wird alles tun, was wir wollen, und ich habe ihr eine Fledermaus wie die meine versprochen. Wir wollen alle als Fledermäuse gehen. Sollen wir in Schwarz oder in Weiß gehen?“
„Was steht uns am besten?“, fragte Sophie.
„Stehen! Kind, ich glaube, du weißt nicht, was ich meine. Eine Fledermaus ist ein Kostüm, das alles verdeckt, den ganzen Kopf, die Haare, alles, so dass man nicht einmal weiß, ob darunter ein Mann oder eine Frau steckt.“
„Ich dachte, wir würden etwas Hübsches haben!“, sagte Sophie enttäuscht. „Etwa ein griechisches Kostüm.“
„Du kannst dich als Griechin oder Türkin verkleiden, wenn du willst. Aber es könnte sein, dass du erkannt und geneckt wirst. Ich habe mich für ein schwarzes Kostüm mit Kapuze entschieden. Herr Hamilton und Madame Ludwig gehen genauso – du und Isabelle, ihr könnt natürlich machen, was ihr wollt.“
„Oh Himmel, ich fürchte, dass Isabelle nicht gehen wird, ohne den Papa um Erlaubnis zu fragen.“
„Dann sprich nicht mit ihr darüber. Sie wird denken, dass wir es vergessen haben, und wenn Papa und Mama fort sind, werde ich kommen und alles Weitere arrangieren.“
„Oh ja!“, rief Sophie und ließ sich auf das Sofa fallen, schreckte jedoch einen Moment später wie von der Tarantel gestochen hoch und ging zur Tür.
„Wo willst du hin, Sophie?“, fragte Olivia.
„Ich will der Mama sagen, dass du hier bist“, antwortete Sophie steif.
„Aber Liebste, das weiß sie längst. Sie ist bei den Kindern oder zählt Wäsche oder sonst etwas. Komm zu uns und spiel die Anstandsdame.“
„Ich will aber nicht die Anstandsdame spielen“, antwortete Sophie wütend und verließ das Zimmer.
Madame Berger sah verwundert auf und fing dann an zu lachen.
„Ich glaube wirklich, das Kind ist eifersüchtig!“, rief sie. „Wie albern! Wie amüsant! Ich wünschte, es wäre Isabelle. Was gäbe ich nicht dafür, sie für eine halbe Stunde eifersüchtig zu machen. Es wäre zu köstlich – Theodor könnte mir dabei helfen, wenn er nur wollte.“
„Sie glauben, dass sie ihn liebt?“, fragte Hamilton.
„Er sagt Nein, aber ich bin mir fast sicher – sie muss sich doch aus irgendeinem Mann etwas machen.“
„Sie macht sich sehr viel aus ihrem Vater.“
„Ach, Unsinn! Ein Mädchen wie sie hat ganz sicher eine heimliche Liebe. Haben Sie eigentlich nie versucht, ihre Gunst durch Höflichkeiten zu gewinnen, Herr Hamilton?“
„Im Gegenteil. Sie hat mich mitunter dazu gebracht, ihr Unhöflichkeiten zu sagen.“
„Sie haben sich also mit der guten einfältigen Sophie unterhalten müssen?“
„Ein wirklich unschuldiges junges Ding. Ein hübsches Kind.“
„Eine
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