Die Versuchung
blickte sie ihn wieder an. »Ich würde Ihnen gern die Wahrheit sagen. Mein Gott, wie gern möchte ich sie jemandem sagen.« Sie holte tief Luft. »Aber ich kann nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie sind jetzt schon in Gefahr. Würde ich mit Ihnen reden, würde diese Gefahr sich in die absolute Gewißheit verwandeln, daß Sie sterben müssen.«
»Jetzt hören Sie mal zu, LuAnn. Ich bin nicht zum erstenmal an einem gefährlichen Ort. Das ist Berufsrisiko. Worum geht es, und wer steckt dahinter?«
»Ich möchte, daß Sie das Land verlassen.«
»Wie bitte?«
»Ich zahle für alles. Suchen Sie sich irgendeinen Ort aus, weit weg von hier. Ich kümmere mich um alles. Und ich werde Ihnen ein Konto einrichten.«
»Lösen Sie Ihre Probleme immer so? Indem Sie sie einfach nach Europa schicken? Tut mir leid, aber ich lebe mein Leben hier.«
»Genau darum geht es. Wenn Sie bleiben, werden Sie bald überhaupt nicht mehr leben.«
»Also wirklich, Sie müssen sich schon mehr Mühe geben. Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, LuAnn, können wir sehr viel bewirken. Reden Sie mit mir. Vertrauen Sie mir. Ich bin nicht hergekommen, um Sie zu vernichten. Aber ich bin auch nicht gekommen, um mich mit so einem Schwachsinn abspeisen zu lassen.«
»Ich sage die Wahrheit. Sie sind wirklich in großer Gefahr.«
Donovan hörte gar nicht zu. Er rieb sich das Kinn und dachte laut nach. »Ähnliche Vorgeschichten. Alle sind arm, verzweifelt. Stoff für Riesenstorys. Brauche nur noch mehr Leute, die mitspielen.« Er ergriff LuAnns Arm. »LuAnn, jemand hat Ihnen vor zehn Jahren geholfen, das Land zu verlassen. Sie sind in diesen zehn Jahren sehr viel reicher geworden. Ich kann die Story riechen. Helfen Sie mir nur auf die Sprünge. Es könnte so eine große Sache werden wie die Entführung des Lindbergh-Babys oder der Mord an JFK. Ich muß die Wahrheit erfahren. Wenn die Regierung nicht dahinter steckt, wer dann? Jeden Monat kassiert der Staat Millionen durch die Lotterieeinnahmen, die er aus seinen Bürgern heraussaugt. Das ist wie eine verdeckte Steuer, und das ist gegen die Verfassung.« Donovan rieb sich aufgeregt die Hände. »Führt die Sache bis ins Weiße Haus? Bitte, sagen Sie es mir.«
»Ich sage Ihnen überhaupt nichts. Und zwar deshalb, weil ich Sie so gut wie möglich schützen will.«
»Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, dann gewinnen wir beide.«
»Ich finde, es ist kein Gewinn, wenn Sie ermordet werden. Was meinen Sie?«
»Ich halte es für Unsinn.«
»Bitte, glauben Sie mir.«
»Was soll ich glauben? Sie haben mir ja nichts erzählt«, fuhr er sie wütend an.
»Wenn ich Ihnen sage, was ich weiß, wäre das genauso, als würde ich Ihnen eine Pistole an den Kopf halten und eigenhändig abdrücken.«
Donovan seufzte. »Bringen Sie mich zurück zu meinem Wagen. Ich weiß nicht warum, LuAnn, aber ich hatte mehr von Ihnen erwartet. Sie sind in großer Armut aufgewachsen, waren alleinerziehende Mutter, und dann dieses unglaubliche Glück. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß Ihnen das alles nicht scheißegal ist.«
LuAnn hielt, legte den Rückwärtsgang ein und wendete den Wagen. Mehrmals streifte sie Donovan mit einem flüchtigen Blick. »Mr. Donovan«, sagte sie plötzlich so leise, als befürchtete sie, belauscht zu werden. »Mit dem Mann, der Sie in diesem Augenblick sucht, sollten Sie sich lieber nicht anlegen. Er hat mir gesagt, er würde Sie umbringen, weil Sie vielleicht zuviel wüßten. Und das wird er! Wenn Sie nicht sofort verschwinden, findet er Sie mit Sicherheit – und was er dann mit Ihnen anstellt, möchte ich Ihnen lieber nicht sagen. Dieser Kerl kann alles. Dem ist nichts unmöglich.«
Donovan schnaubte verächtlich; dann erstarrten seine Züge. Langsam wandte er sich LuAnn zu, als ihm die volle Bedeutung ihrer Worte klar wurde. »Ist es ihm auch möglich, eine arme Frau aus Georgia reich zu machen?«
Donovan sah, wie LuAnn zusammenzuckte. Seine Augen wurden groß. »Du lieber Himmel, das ist es, nicht wahr? Sie haben gesagt, diesem Mann wäre nichts unmöglich. Er hat Sie zur Gewinnerin der Lotterie gemacht, nicht wahr? Eine Frau, fast noch ein Teenager, flieht vor der Polizei, weil sie glaubt, einen Mord begangen zu haben …«
»Mr. Donovan, bitte.«
»Sie kauft ein Los und fährt ganz zufällig nach New York, wo die Ziehung stattfindet. Und, wie das Leben so spielt, gewinnt sie hundert Millionen Dollar.« Donovan schlug mit der Hand aufs Armaturenbrett. »Großer Gott, die staatliche Lotterie
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