Die Versuchung
Ende des achtzehnten Jahrhunderts errichtet und in den späten zwanziger Jahren an seinen neuen Standort verlegt worden, ein paar Kilometer von Monticello entfernt die Straße hinunter. Es war Mittagszeit, und die Touristen strömten langsam ins Lokal, um sich am Büfett die Bäuche mit dem fritierten Hühnchen vollzuschlagen, nachdem sie Thomas Jeffersons Wohnhaus und das benachbarte Ash Lawn besichtigt hatten, oder um sich zu stärken, ehe sie die Sightseeing-Tour unternahmen.
Drinnen brannte ein Feuer im Kamin. LuAnn war früher als verabredet gekommen, um die Lage zu peilen. Doch nachdem sie von der Wärme der Flammen beinahe geschmolzen war, hatte sie beschlossen, draußen zu warten. Sie schaute auf, als der Mann auf sie zukam. Auch ohne den Bart erkannte sie ihn.
»Gehen wir«, sagte Donovan.
LuAnn blickte ihn an. »Wohin?«
»Sie folgen mir in Ihrem Wagen. Ich werde im Rückspiegel darauf achten, ob ich einen Verfolger sehe. Sollte das der Fall sein, rufe ich per Handy die Polizei an, und Sie wandern ins Gefängnis.«
»Ich folge Ihnen nirgendwo hin.«
Er beugte sich vor und sagte ruhig: »Ich glaube, Sie möchten das noch mal überdenken.«
»Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind oder was Sie wollen. Sie haben gesagt, Sie wollten mich treffen. Also, hier bin ich.«
Donovan blickte auf die Menschenschlange vor dem Restaurant. »Eigentlich schwebte mir ein ruhigerer Platz als der hier vor.«
»Sie haben die Tavern ausgesucht.«
»Stimmt.« Donovan schob die Hände in die Taschen und sah LuAnn schweigend an. Sein Unbehagen war offensichtlich.
Schließlich erklärte LuAnn: »Ich sage Ihnen, was wir tun. Wir machen eine Spritztour in meinem Wagen.« Sie blickte ihn drohend an und fügte leise hinzu: »Aber keine faulen Tricks, sonst werde ich Ihnen verdammt weh tun.«
Donovans Grinsen gefror, als er in LuAnns Augen blickte. Unwillkürlich lief ihm ein eiskalter Schauder über den Rücken. Er folgte ihr, als sie mit langen Schritten zum BMW ging.
LuAnn fuhr auf die Interstate 64 und schaltete den Tempomat der Limousine ein.
Donovan blickte sie an. »Sie haben mir vorhin mit Körperverletzung gedroht. Vielleicht haben Sie den Kerl im Wohnwagen doch umgebracht.«
»Ich habe niemand ermordet! Ich habe in dem Wohnwagen nichts Unrechtes getan.«
Donovan studierte ihr Gesicht; dann schaute er zur Seite. Als er wieder sprach, war sein Tonfall weicher und ruhiger. »Ich suche seit Monaten nach Ihnen. Es war harte Arbeit, Sie zu finden. Und ich habe mich nicht deshalb so abgerackert, um jetzt Ihr Leben zu zerstören, LuAnn.«
»Warum haben Sie dann nach mir gesucht?« fragte sie mißtrauisch.
»Erzählen Sie mir, was im Wohnwagen passiert ist.«
LuAnn schüttelte den Kopf und schwieg.
»Ich habe im Laufe der Jahre ziemlich viel Schmutz ausgegraben, und ich kann zwischen den Zeilen lesen. Ich glaube nicht, daß Sie eine Mörderin sind«, sagte Donovan. »Nun kommen Sie schon. Ich bin kein Cop. Wenn Sie wollen, können Sie mich nach einer Wanze durchsuchen. Ich habe sämtliche Zeitungsberichte über die Geschichte von damals gelesen, aber ich möchte Ihre Version hören.«
LuAnn stieß einen tiefen Seufzer aus und blickte ihn an. »Duane, mein Freund, hat mit Drogen gehandelt. Ich hatte keine Ahnung davon. Ich wollte bloß raus aus diesem Leben. Das wollte ich ihm sagen, deshalb bin ich zum Wohnwagen gegangen. Duane war übel zugerichtet. Messerstiche. Plötzlich hat mich ein Kerl gepackt und wollte mir die Kehle durchschneiden. Es kam zum Kampf. Ich habe dem Mann das Telefon über den Schädel geschlagen, und er ist gestorben.«
Donovan machte ein erstauntes Gesicht. »Sie haben ihm bloß einen Schlag mit dem Telefon versetzt?«
»Einen sehr harten Schlag. Schädelbruch, nehme ich an.«
Donovan rieb sich nachdenklich das Kinn. »Daran ist der Mann nicht gestorben. Todesursache waren Stichwunden.«
Der BMW kam beinahe von der Straße ab, ehe LuAnn ihn wieder unter Kontrolle hatte. Sie starrte Donovan mit gros-
sen Augen an. »Was?« stieß sie hervor.
»Ich habe die Autopsieberichte gelesen. Der Mann hatte eine Kopfwunde, die aber nicht tödlich war. Er ist an mehreren Stichwunden in der Brust gestorben. Daran besteht kein Zweifel.«
Es dauerte nicht lange, bis LuAnn die Wahrheit erkannte. Rainbow. Rainbow hatte den Mann umgebracht. Und danach hatte er sie belogen. Sie schüttelte den Kopf. Was erstaunt mich eigentlich daran, dachte sie. »Und ich habe alle die Jahre geglaubt, ich hätte den Mann
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