Die versunkene Welt
zeigten sich, und der Mond schien hell von einem nun fast klaren Himmel.
Die Tritonen zogen das Gefährt gen Süden, über die Versunkene Stadt Ptaath hinweg. Die Mienen der beiden Amazonen verrieten nur zu deutlich, daß sie den gleichen düsteren Gedanken nachhingen wie Mythor.
Yacub auf Ngore! Und Dorgele hatte von seiner »herangewachsenen Brut« gesprochen. Bedeutete dies, daß ein Teil seines Nachwuchses bereits seine Größe und Kraft erreicht hatte?
Er glaubt es nicht, aber die Bestien würden größer sein als jene unten im Turm.
So wie er in der Tempelruine die Gefahr geahnt hatte, so sicher glaubt er nun, daß alles einer Entscheidung zustrebte. Ngore schien für die Verfemten von allen Inseln des Nassen Grabes die wichtigste und zugleich gefürchtetste zu sein. Falls Yacub wahrhaftig dort weilte, würde er nicht tatenlos zusehen, wie seine Nachkommen starben. Er würde kämpfen, trotz seiner Schwächen fürchterlicher denn je. Und gerade das wollten die Tritonen. Die »Bestientöter« sollten ihm den Garaus machen.
Allein der Gedanke daran, daß Yacub in einem letzten, verzweifelten Kampf ein für allemal unschädlich gemacht werden könnte, ließ Mythor ein heiseres Lachen ausstoßen. Die Verfemten und das Meervolk hatten ihn nie richtig kämpfen gesehen!
Scida drehte sich zu ihm um.
»Kannst du uns sagen, was dich so belustigt, Honga?«
Er winkte ab.
»Nichts, Scida. Überhaupt nichts.«
Er legte den Arm auf den Bootsrand und blickte an der Heckflosse vorbei auf das Meer, die silbrig schimmernden kleinen Wellen, die ein Bild des Friedens vorgaukelten.
Lange starrte er so vor sich hin, als er glaubte, etwas zu sehen, das ihnen folgte.
Mythor kniff die Augen zusammen. Nach einer Weile war er sicher, einen Tritonen zu sehen, dessen Kopf immer wieder über Wasser erschien und wieder untertauchte. Doch für einen Wasserbewohner bewegte er sich viel zu langsam, fast als ob…
»Gerrek!«
Einer Eingebung folgend, drehte Mythor sich um und winkte den Mandaler herbei.
»Spiele auf der Flöte«, flüsterte er, so daß nur Scida und Kalisse es noch hören konnten. Dorgele saß im Bug. »Ich glaube, Learges folgt uns.« Ohne den üblichen Kommentar holte Gerrek die Zauberflöte aus der Bauchtasche und setzte sie an sein Drachenmaul. Was folgte, waren die gewohnten Mißtöne, doch Mythor ertrug sie mit Fassung. Wieder suchte er mit Blicken das Meer hinter dem Boot ab. Und es dauerte nicht lange, bis Learges’ Schädel gleich neben ihm auftauchte.
Die Hände des Tritonen legten sich auf den Bootsrand, doch fand Learges nicht die Kraft, sich daran heraufzuziehen. Mythor beugte sich hinaus und sah bestürzt den Pfeil in seiner Schulter.
»Hilf mir, Gerrek«, flüsterte er. »Wir ziehen ihn ins Boot!«
Beide ergriffen sie je einen Arm des Verwundeten. Wenn Learges Schmerzen empfand, so zeigte er es nicht. Erst als er zwischen Mythor und den Amazonen lag, preßte er die Hand auf die Schulter und verzog das Gesicht.
Vom Bug her kam ein zorniger Aufschrei.
»Er schon wieder! Werft ihn ins Wasser zurück! Ich will nicht, daß ich wegen eines Wirrkopfs wie ihn…«
»Was willst du nicht?« fuhr Scida die Priesterin an. Beide waren aufgesprungen, und Dorgele lief zwischen den anderen Verfemten hindurch und stellte sich vor die Amazone.
Scida hatte ihr Seelenschwert nur halb aus der Scheide gezogen. Doch dies genügte, um Dorgele verstummen zu lassen.
Die Blicke der beiden maßen sich. Nur für zwei, drei Herzschläge vermochte Dorgele dem Feuer in Scidas Augen standzuhalten. Sie drehte sich wortlos um und ging zurück zum Bug, in den ausgehöhlten Fischkopf, wo sie zornigen Blickes thronte wie eine leibhaftige Rachegöttin.
Mythor dankte Scida mit einem Nicken, doch spürte er die Wogen der Feindseligkeit, die ihm von Dorgele und den Verbannten entgegenschlugen.
Erst einmal auf der Insel, durfte er sie keinen Moment aus den Augen lassen, keinem ihrer Worte trauen. Etwas war vorbereitet für die Gefährten. Es würde keine Irrfahrt über das Nasse Grab geben, von einer Insel, von einem Tempel zum anderen, um Yacubs Nester auszuheben. Mythor wußte es nun. Ein letzter Kampf stand ihnen bevor, den zu bestehen mehr erforderte als nur Glück, Kampfkraft und Umsicht. Danach aber…
Er machte sich lieber keine Gedanken darüber. Noch waren sie nicht auf Ngore. Mythor beugte sich über Learges, betrachtete den Pfeil, der die Schulter des Tritonen zwischen den Knochen durchdrungen hatte, und wußte
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