Die Verwandlung - Blutsbande 1
er.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, ich nickte. Er ging einen Schritt zurück und verbarg sein Gesicht in den Händen. Als er mich anschaute, sah sein Gesicht wieder normal aus. Er betrachtete mich liebevoll und mitleidig. Das verwirrte mich mehr als seine monsterähnliche Erscheinung.
„Nun komm schon. Lass uns reingehen, dann erzähle ich dir alles, was du wissen willst.“
Mir war kalt, und vor lauter Verzweiflung fühlte ich mich fast taub. Ich ließ mich von ihm die Stufen hinauf auf den Bürgersteig führen. „Alles?“
„Sicher“, versprach er, während er aus seiner Tasche einen Schlüsselbund hervorholte.
„Okay“, ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. „Aber warum ich?“
DIE BEWEGUNG
Nathans Wohnung war klein, und überall standen Möbel herum. An den Wänden befanden sich grobe Regale auf schlichten Winkeln, wie man sie zum Zusammenbauen im Baumarkt kauft. Auf einigen standen so viele Bücher, dass sich die Regalböden unter ihrem Gewicht bogen. Auf dem Couchtisch lagen Notizbücher und Schreibblöcke, die mit einer fast unleserlichen Handschrift beschrieben waren. Die Zimmer waren vollgestellt, aber nicht schmutzig.
„Entschuldige bitte diese Unordnung“, sagte er und lächelte entschuldigend. Er sah kurz zur Treppe hinüber. Ein Song von Marilyn Manson dröhnte in voller Lautstärke aus einem der anderen Zimmer, dessen Tür geschlossen war. „Dreh das leiser, Ziggy!“
Die Lautstärke wurde einige Dezibel heruntergedreht. Nathan und ich standen einige Augenblicke lang etwas unbeholfen an der Tür. Ich nehme an, er war genauso unsicher wie ich.
„Kinder“, sagte ich, zuckte mit den Schultern und sah mich nach dem Zimmer um, von dem ich annahm, dass es Ziggy gehörte.
„Gib mir deinen Mantel.“
Ich beobachtete Nathans Gesichtsausdruck, als er mir aus der Jacke half. Er sah meiner Meinung nach sehr jung aus, dafür, dass er einen Sohn in Ziggys Alter hatte. Aber dann fiel mir ein, dass Nathan ja ein paar Jahrhunderte alt sein konnte.
Nachdem er meinen Mantel an einem Haken neben der Tür aufgehängt hatte, schien er plötzlich energischer. „Hast du etwas zu dir genommen?“ Er ging in Richtung Küche und bedeutete mir, ich solle folgen. „Ich habe noch ein paar A positiv.“
Ich wartete im Türrahmen und sah ihm dabei zu, wie er einige Beutel Blutkonserven aus dem Kühlschrank nahm. Dann griff er zum Teekessel, der auf der Trockenablage stand, öffnete den Deckel, riss mit den Zähnen eine Konserve auf und füllte den Inhalt hinein. Er machte das mit einer Routine, als würde er eine Tüte Chips öffnen. Danach zündete er die Flamme des Gasherdes an und stellte den Kessel darauf. Wiederum wirkte dies so natürlich, dass ich mich erst daran erinnern musste, dass normale Männer kein Blut in ihren Kühlschränken aufbewahren. Auf der anderen Seite besaßen normale Männer auch keine Teekessel.
„Sie wollen das doch nicht etwa trinken, oder?“ Ich spulte in meinem Kopf ab, was wir in der Ausbildung über Krankheiten, die durch Blut übertragen werden, gelernt hatten.
Obwohl er mich nicht ansah, ahnte ich, dass er grinste. „Doch. Möchtest du auch etwas?“
„Nein!“ Mir zog sich der Magen zusammen. „Wissen Sie, wie gefährlich das sein kann, Blut zu trinken?“
„Weißt du, wie gefährlich ich bin, wenn ich es nicht trinke?“ Er lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. So sah ich zum ersten Mal, wie groß er wirklich war.
In meinem Personalausweis ist meine Körpergröße mit 1,77 Meter angegeben, und auch wenn mich der Aufenthalt im Krankenhaus einige Kilos gekostet hatte, war ich immer noch kein kümmerliches Pflänzchen. Dennoch wirkte Nathan, als könne er mich mühelos mit bloßen Händen in Stücke reißen, wenn ihm danach wäre.
Irgendwie klang seine Stimme ein wenig traurig. Kurz sah er mir in die Augen, aber bevor ich dahinterkommen konnte, was los war, drehte er sich wieder weg.
„Oh, tut mir leid. Dir hat noch niemand erklärt, wie das alles geht. Blut zu trinken gehört zu den Voraussetzungen, ein Vampir zu sein. Irgendwann wirst du es tun müssen, also lieber jetzt als später.“ Seine Stimme wurde rau. „Und außerdem, wenn du es zu lange hinauszögerst, rastest du aus und tust etwas … was du später bereuen wirst.“
„Dann versuche ich es eben.“ Aus dem Kessel strömte ein warmer, metallischer Duft. Zu meinem Entsetzen knurrte mein Magen. „Also, werde ich unsterblich
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