Die Verwandlung - Blutsbande 1
eingerahmt. Das Backsteingebäude war schwarz gestrichen. Aber die Farbe war nicht überall gleichmäßig verteilt, sodass hier und da noch rote Backsteine zu sehen waren. Das ganze Gebäude war schmutzig und heruntergekommen.
Nachdem ich das Haus betreten hatte, folge ich ihr die Treppe hinunter. Die Wände wurden von einer dumpfen Bassmelodie erschüttert. Als sie am Ende des Flures die Tür aufzog, kam uns die laute Musik wie eine Kaskade entgegen. Der Club war voller junger Leute, sie trugen alle Schwarz. Einige von ihnen waren wie aus einem Roman von Charles Dickens gekleidet, mit Zylinderhüten und Spazierstöcken. Die meisten anderen trugen Kleidung, die aus zerrissenen Netzstrümpfen und Isolierband zusammengeschustert war. Ich konnte mir vorstellen, dass meine blauen Jeans und meine Sommersprossen die Leute hier anwiderten.
Aber das war mir völlig gleichgültig. Ich hatte meine Beute aus den Augen verloren. Es würde schwierig werden, ihre tragische Erscheinung in diesem Heer von Selbstmitleid zu finden.
„Sie ist auf die Toilette gegangen“, sagte eine Stimme direkt hinter mir. „Aber an deiner Stelle würde ich ihr nicht nachgehen, denn sie weiß nicht, was du bist.“
Mein Herz war kurz davor, stillzustehen. Meine Kehle war wie zugeschnürt und die Aufregung, jemandem nachzustellen, war verflogen. Ich war ertappt worden.
Langsam drehte ich mich um und erwartete, einen Beamten in Uniform zu sehen. Stattdessen schaute ich in das grinsende Gesicht einer sehr selbstbewussten jungen Frau. Sie war keineswegs schlank, und sie bewegte sich zu der Musik mit einer natürlichen Grazie, die vergessen ließ, dass sie eigentlich dick und schwerfällig war. Sie trug das Standard-Make-up des Sängers Robert Smith: viel Kajal und dunkelroten Lippenstift in einem bleichen Gesicht. Ihre dicken roten Locken fielen ihr bis auf die Schultern.
„Du bist überrascht?“, fragte sie und legte die Hände auf ihre stämmigen Hüften. „Dein Verhalten war so offensichtlich.“
„Offensichtlich?“ Mein Mund war trocken.
Sie neigte den Kopf zur Seite und sah mich von oben bis unten an. Als sie lachte, wippten ihre Locken auf und ab. „Ja, offensichtlich. Aber mach dir keine Sorgen, die meisten Kids hier würden einen echten Vampir noch nicht mal erkennen, wenn er sie in den Arsch beißt. Sie sind hier, weil sie sich von ihren Eltern unverstanden fühlen.“
Der Rhythmus der Musik und das Donnern der Herzschläge um mich herum gaben mir das Gefühl, ich sei zu Gast auf einem Kongress von Speed-Metal-Schlagzeugern. Und jetzt gerade waren sie dabei, sich richtig warmzumachen. Mein Schädel dröhnte. Ich blinzelte, um mich in dem Diskolicht und unter den bewegenden Menschen zu orientieren. „Woher wusstest du, was ich bin?“
„Diese Vampir-Geschichte ist neu für dich, oder?“, fragte sie. Sie lächelte mich absolut bösartig an, als habe sie diese Mimik schon seit Jahren vor dem Spiegel geübt. „Das Mädchen von vorhin … bevor du nur zwei Tropfen aus ihr herausholst, wird sie wie eine Todesfee schreien, und dann, was machst du dann? Du hättest eine Menge Ärger.“
Bevor ich protestieren konnte, nahm sie mich am Arm. Unter ihrer Hand fühlte sich meine Haut warm und lebendig an, als würde ich ihre Energie absorbieren. Durch das Geräusch von Hunderten menschlicher Pulsschläge hörte ich ihren am deutlichsten, aber ich hatte keine Lust, von ihrem Blut zu trinken. Sie war warm und lebendig, aber sie schien nicht wirklich ein Mensch zu sein.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es Ärger geben würde. Obwohl sie so nett tat, vermittelte ihr Verhalten eine gewisse Spannung. Trotz ihrer runden Figur bewegte sie sich wie eine Tänzerin. Jede einzelne Bewegung machte deutlich, dass es um etwas Wichtiges ging.
Der Hunger machte mir zu schaffen, also folgte ich ihr.
Auf dem Weg erzählte sie mir, sie heiße Dahlia. Sie führte mich aus dem Club und einige kleine Straßen entlang. Wir überquerten ein verlassenes Bahngelände, auf dem sich der Schnee türmte.
„Da.“ Sie zeigte auf ein niedriges Steingebäude, das offensichtlich vor einiger Zeit ausgebrannt war. Eine Zementmauer schirmte das Haus von der Durchgangsstraße ab. Ich hörte die Autos vorbeirasen.
„Hierher kommen die Bullen nie. Und wenn sie es täten“, erklärte sie, „würden sie niemals wiederkommen.“
Der Innenraum war riesig und hatte keine Wände, vielleicht war es früher ein Lagerhaus oder eine Fabrik gewesen. In der Mitte wölbte
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