Die Verwandlung - Blutsbande 1
das glaube ich.“
Das schmerzte sehr. „Du kennst mich überhaupt nicht.“
Ich begann zurückzugehen, aber dann besann ich mich, warum ich Nathan hatte treffen wollen, und ich dachte an Ziggy. Bevor ich wieder zum Haus zurückkehren konnte, hatte Nathan schon meinen Namen gerufen. Die Angst in seiner Stimme versöhnte mich.
„Bitte. Ich tu’ alles, was du willst. Nur hol’ ihn mir da raus.“ Nathan griff durch die Stäbe, als wolle er mich zurückholen. „Wenn ihm etwas passieren sollte … Carrie, dann weiß ich nicht, was ich tun werde.“
Ich seufzte müde und ging zur Pforte zurück. „Es wird ihm nichts passieren. Das habe ich schon geklärt.“
Ohne dass ich es wollte, schaute ich kurz zu den Fenstern von Cyrus’ Schlafzimmer hoch. Ich erinnerte mich an mein Versprechen, bei Sonnenaufgang bei ihm zu sein. Plötzlich und unerwartet spürte ich ein Verlangen nach ihm. Ich drehte mich zu Nathan und hoffte, er könne meine Unruhe nicht fühlen. „Das Problem ist, dass das Haus wie Fort Knox gesichert ist. Ich weiß nicht, wie wir ihn hier herausbekommen sollen.“
Nathan starrte an dem Gebäude hoch. Er rieb sich die Hände, als wolle er sie wärmen.
„Du bist tot. Da friert man doch nicht?“
Sein Blick glitt weiter über die Fassade. „Ich denke.“
„Dann sag Bescheid, ob es funktioniert.“ Als ich ihn ansah, wie er das Haus fixierte, ertappte ich mich dabei, dass ich ihn berühren wollte. Nicht im sexuellen Sinne, obwohl ich wusste, dass zumindest einer von uns die Anziehung immer noch spürte. Es war mehr ein Gefühl wie Heimweh. Als ich ihn sah, hatte ich das Gefühl, ich sei lange auf Reisen in einem fernen Land gewesen, in dem es viel Gewalt gab.
„Warum hast du ihn rausgeschmissen?“, fragte ich. Er sah mich einfach nur kurz an.
„Ich habe ihn nicht hinausgeworfen. Er ist von alleine gegangen.“
„Er sagte mir, du hättest ihn hinausgeworfen.“
„Ich habe falsch reagiert. Wir hatten Streit. Wir hatten einen ziemlichen Streit. Aber ich habe nie davon gesprochen, dass er gehen soll.“ Nathans Stimme war belegt. „Und wenn ich gewusst hätte, dass er hierherkommt, dann hätte ich ihn nie im Leben gehen lassen.“
„Es tut mir leid, dass du es so herausfinden musstest. Ich bin mir sicher, das war nicht leicht.“ Aber gleichgültig, was ich ihm auch sagte, er würde bereuen, mit Ziggy Streit angefangen zu haben.
„Er hat Angst, dass du ihn jetzt hasst.“
„Das ist dumm von ihm!“
„Ach ja?“ Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Nur für den Fall, dass du es nicht mitbekommen haben solltest, es war ihm ziemlich peinlich, dass du so in sein Zimmer hineingeplatzt bist. Und alles, was du zu tun hattest, war, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen und sauer zu werden!“
Einen Moment hatte ich den Eindruck, dass meine Worte tatsächlich in seinem Dickschädel angekommen waren. Dann schüttelte er den Kopf, fluchte und machte einen Schritt nach hinten. „Warum rede ich eigentlich noch mit dir? Ich sollte dir jetzt einen Pflock durch das Tor ins Herz rammen, nachdem du einfach so weggelaufen bist.“
Meinen Brief hatte ich fast vergessen. „Ziggy hat dir meine Nachricht gegeben?“
„Ja.“ Seine Stimme klang kalt und unpersönlich.
„Und?“ Ich ergriff die Eisenstäbe der Pforte und hoffte, er würde meine Hand berühren.
Es war eine törichte Hoffnung. „Was zum Teufel soll ich sagen, Carrie? Du hast deine Entscheidung getroffen!“
„Warum redest du dann noch mit mir?“
Er griff entschiedener um die Stäbe und rüttelte am Tor. Dann trat er dagegen und fluchte noch einmal. Ich sah ängstlich zum Haus hin. Ich befürchtete, gleich einen Schwarm Wachen über den Rasen laufen zu sehen. Aber Nathan gab sich weiter seinem Wutausbruch hin. Er trat noch einmal kräftig gegen die Steinmauer und drehte sich von mir weg.
Ich hatte genug. „Bist du fertig?“
Er humpelte zurück zur Pforte und nickte.
„Gut. Also, warum redest du dann noch mit mir?“ Ich wiederholte die Frage in einem gütlicheren Ton.
„Weil du die einzige Möglichkeit bist, dass ich Ziggy da lebendig herausholen kann.“ Als ich nicht antwortete, griff Nathan in seine hintere Jeanstasche. „Hör mal zu, ich mache dir einen Vorschlag …“
„Ich brauche kein Geld“, unterbrach ich ihn.
Melancholisch lächelte er mich an. „Ja, verstehe. Dein neuer Freund lebt ja recht komfortabel.“
„Er ist nicht mein Freund.“ Ich streckte meine Hand aus, um den zusammengefalteten Zettel
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