Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
Die Wege waren von schneeweißen Blütenblättern übersät. Mary trug ein neues Kleid, das Estelle aus einem Rest genäht und gesmokt hatte. Während der Fahrt im Ponywagen fand Mary die Smokarbeit auf ihrer Brust immer unerträglicher und begann sich heftig zu kratzen.
Sie hielten vor Irenes Haus an. Pearl schlief, in ihr weißes Tauftuch eingeschlagen, in einem Weidenkorb. Sie legten den Korb im Wagen auf ein paar Säcke, die nach Gerste rochen. Nach einer Weile begann Pearl zu schnarchen. Mary hatte außer ihrem Vater noch nie jemanden schnarchen gehört, schon gar nicht ein Baby.
»Warum macht sie das?« fragte Mary Irene.
»Ach«, antwortete Irene, »sie hat schon immer geschnarcht, von Anfang an.«
Mary kniete neben Pearl auf dem Boden des Wagens nieder und blickte sie an. Das Schnarchen zog sie so in seinen Bann, daß sie von dem Gesmokten abgelenkt war.
Der Baby-Schönheitswettbewerb sollte in einem großen grünen Zelt aus Armeerestbeständen stattfinden. Die Mütter würden sich nebeneinander auf harte Stühle setzen und ihre Babys hochhalten, wenn die Preisrichter vorbeikamen. Von den sechsunddreißig Teilnehmern würden fünf in die Endrunde kommen. Es gab einen Hauptgewinn und vier Trostpreise. Estelle dachte den ganzen Weg im Wagen über das Wort »Trost« nach. Es gefiel ihr überhaupt nicht. Sachen, die trösten sollten, taten dies am Ende nie.
Im Laufe des Tages wurde es immer heißer. Es war, als würden der ganze Juni und Juli in diesen einen Tag gedrängt. Estelle gewann bei der Tombola einen Schokoladekuchen, der gleich zu schmelzen begann, so daß sie ihn Mary und Tim zu essen gab. Nicht ein Lüftchen regte sich, um die selbstgemachten Wimpel zum Flattern zu bringen.
Gegen zwei Uhr begab sich Irene mit Pearl in den Schatten der Kastanien, um ihr etwas Hagebuttensaft zu trinken zu geben und ihre Windeln zu wechseln. Mary bat darum, mitgehen zu dürfen. Ihre Brust juckte von der Hitze und Smokarbeit so sehr, daß sie sich wund gekratzt hatte. Zwischen den seidigen Stichen konnte man kleine kreisrunde Blutflecken sehen. Diese Blutsperlen wollte sie Irene zeigen. Wenn Mary mit Irene zusammen war, hatte sie immer das Gefühl, ihre ganz persönliche Zuflucht gefunden zu haben. Es war still bei ihr. Niemand schrie.
Irene sah sich das Blut an. Dann zog sie Mary das Kleid aus und kühlte die Kratzer mit den feuchten Tüchern, die sie zum Saubermachen von Pearl mitgebracht hatte.
»In so einem gesmokten Kleid stecken viele Stunden Arbeit, Mary«, sagte Irene.
»Ich weiß«, erwiderte Mary.
Weiter sagten sie nichts. Irene zog Mary das Kleid wieder an, wobei sie neben ihr im kühlen Gras kniete. Sie nahm das Mädchen bei den Schultern und sah es an. Seine Brille war schmutzig und beschlagen, das dünne Haar lag ihm wie eine Kappe eng um den Kopf. Irene verstand, daß Mary nicht weinen wollte, und sagte daher: »Nun ja. Wir müssen jetzt Pearl fertig machen, damit sie schön ist.«
Sie reichte Mary ein sauberes, weißes Frotteeviereck, das diese auf dem Gras ausbreitete und vor dem Falten glattstrich. Irene befreite Pearl von ihrer nassen Windel und legte sie auf das Viereck. Dann holte sie Babypuder aus der Tasche und stäubte Pearls Po damit ein, bis die glänzende Haut samtig und trocken war. Mary sah ihr dabei zu. Etwas an Pearl faszinierte sie. Es war, als wäre Pearl ein Dia und sie selbst säße aufeinem Stuhl im Dunkeln, um es sich anzuschauen. Mary nahm die Brille ab. Ohne sie kam es ihr so vor, als lägen zwei Pearls, jedenfalls fast zwei, im Schatten des Kastanienbaums, und Mary hörte sich, wie es ihre Mutter tat, einen Gedanken laut aussprechen: »Wenn es zwei gäbe, dann könnte jeder eine haben.«
»Zwei wovon, Mary?«
Doch Mary antwortete nicht darauf. Sie setzte sich die Brille wieder auf die Nase. »Ach«, sagte sie, »ich weiß auch nicht, was ich gemeint habe. Ich glaube, ich habe an den Kuchen gedacht, den Mutter gewonnen hat, weil du nichts davon gegessen hast.«
»Es ist so heiß«, stöhnte Irene und befestigte Pearls Windel mit einer Sicherheitsnadel. »In dem Zelt wird es furchtbar drückend sein.«
Die Mütter strömten herein. Es waren weit mehr Mütter als Stühle, so daß einige stehen mußten, obwohl sie sich von der Hitze des Nachmittags und der Last der Babys ganz schwach fühlten. Die einführenden Worte der Preisrichter gingen im Babygeschrei unter. Lady Elliot von Swaithey Hall, die mit ihrem Jacqmar-Tuch sehr gepflegt aussah, sagte, sie habe noch nie so
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