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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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was ihnen gefällt, oder wir verlangen, was uns gefällt.« Leben wird so als Macht oder Unterwerfung, als Befehlen oder Gehorchen erfahren. 86 Gedanklich knüpft die folgende Empfehlung von Alexander S. Neill hier unmittelbar an: In solchen Situationen schließen gesunde Eltern »eine Art von Kompromiss. Ungesunde Eltern dagegen werden entweder Gewalt anwenden, oder sie verwöhnen die Kinder, indem sie ihnen alle gesellschaftlichen Rechte einräumen.« 87
    Das offensichtlichste und zugleich folgenreichste Gütekriterium jeglichen Erziehungsverhaltens ist der angemessene Umgang mit Konsequenzen. Es fällt den meisten Menschen jedoch äußerst schwer, dabei eine stringente Linie zu verfolgen. Heute ›ja‹ und morgen ›nein‹, hier stahlhart und da pflaumenweich. »Das Gros der Eltern, urteilt Peter Struck, Erziehungswissenschaftler aus Hamburg, falle ›erzieherisch von einem Extrem in das andere: Mal schimpfen, strafen, maulen sie, dann knuddeln, beschenken und loben sie wieder übermäßig‹.« Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann nennt ein solches Verhalten »Hü-und-hott-Erziehungsstil« und mit »Wackelpädagogik« typisiert die Schweizer Jugendpsychologin Eva Zeltner einen solchen Zickzackkurs. 88
    Wer als ausgewachsener Weichling anstelle von Konsequenzen die Notbremse zieht, verstärkt Fehlverhalten und schafft damit sich selbst und anderen Probleme. Auch wenn dem Leitsatz Klaus Hurrelmanns »Sanktionen sind das A und O jeder Erziehung« nicht zugestimmt wird, müssen als letztes Reaktionsmittel auch angemessene Strafen im Blick sein, zumindest bei bewussten Regelverstößen. Dies steht keinesfalls im Widerspruch zu einer partnerschaftlichen Erziehung. Im Gegenteil: Sie schließen »Ordnung und Regeln ein«, weil nur so Kindern Orientierung und Halt gegeben wird. 89
    Neben Verwöhnung und Strenge ist die Selbstüberlassung der dritte große Erziehungsfehler. Alle führen zur Vernachlässigung von zu entwickelnden Anlagen und Kräften im Menschen. Väter bringen häufig durch fehlende oder falsch genutzte Zeit ihren ›Beitrag‹ zur Selbstüberlassung ein. Durch dieses ›Nichts‹ entstehen gravierende emotionale Defizite. Oft kommen sie spät oder gar nicht nach Hause und wollen dann meist ihre Ruhe haben. Die abwesenden Väter, so tüchtig sie beruflich auch sein mögen, bringen sich »langfristig um Frau und Kind«. 90
    Kinder brauchen gleichermaßen Väter und Mütter. Dabei haben Väter die Aufgabe, die Beziehung des Kindes zur Mutter zu öffnen und eine anders gerichtete Geschlechterrolle erfahrbar zu machen. Sind solche Primärerfahrungen nur ungenügend möglich, holen sich Kinder ihre Väter- und Männerbilder aus den Medien. Klischeefiguren können aber nur klischeeartiges Verhalten auslösen. Jungen und Mädchen leiden regelrecht unter einem Vater-Entzug. Besonders in Konfliktsituationen mit der Mutter wird dieser Mangel deutlich, wenn vom Vater eine Ausgleichs- oder Korrektivfunktion, mindestens jedoch emotionaler Beistand erwartet wird. Der Standardspruch einer engagierten Mutter bringt es auf den Punkt: »Was ist es doch gut, dass ein Kind normalerweise Vater und Mutter hat!«
    Wohlstandsbürgern ist häufig die nächste Anschaffung wichtiger als sinnvolle zeitliche Zuwendung. »Das Kind gerät hinter der neuen Schrankwand in Vergessenheit«, so Wieland Backes in der Sendung Nachtcafé zum Thema »Erziehung wozu?« Aber auch solche Erfahrungen bieten ein breites Lernfeld. Die Lektionen heißen: ›Jeder denkt an sich!‹ – ›Geld regiert die Welt!‹ – ›Was ich nicht bekomme, das hole ich mir!‹
    Kinder speichern jede verbale oder nonverbale Botschaft, ob sie stimmig oder absurd, förderlich oder hinderlich ist. So lernen Kinder Nein sagen, indem Erwachsene Nein sagen, mit Konflikten umgehen, indem sie schauen, wie sich Erwachsene in solchen Situationen verhalten.
    ›Folgen‹ wird gelernt, indem Kinder mit all ihren Sinnen dem folgen, wie es vorgelebt wird.
    Die Erfahrung, wie Dinge funktionieren und Menschen in bestimmten Situationen handeln, wirkt stärker als jede Belehrung. Ob sich beispielsweise die Eltern unabhängig von Auffassungen der Umgebung behaupten oder sich anpassen, ob sie mit Elan an neue Aufgaben gehen oder diese vor sich herschieben, welche Funktion das Essen hat, wie mit Alkohol umgegangen wird usw., alles wird zum Lernfeld.
    Je kleiner die Familie, desto notwendiger ist eine bewusste Erziehung. Besonders Alleinerziehende neigen zu ›fürsorglichen

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