Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
die Wahl und Intensität der eingesetzten Mittel bei Grenzverdeutlichungen, ob zwischen Staaten oder im familiären Bereich. Wie schon der Volksmund sagt, sollte niemand ›mit Kanonen auf Spatzen schießen‹. Manche erstmalig auftretende Störung kann durch scheinbares Übersehen an Reiz verlieren. Dies heißt jedoch nicht, ›gute Miene zum bösen Spiel‹ zu machen. Daher ist genau in den Blick zu nehmen, um welche Übergriffe es sich handelt, welche Rahmenbedingungen herrschen und ob es Vergleichbarkeiten mit anderen Situationen gibt, in denen schon deutlich Position bezogen wurde. Keinesfalls ist es angemessen, auf Fehlverhalten mit Härte oder Häme zu reagieren.
Konsequent sein heißt, ein Kind die Zusammenhänge und Wirkungen des eigenen Handelns spüren zu lassen bzw. vor Augen zu führen und dem Erzieher eine angemessene Reaktion abzuverlangen. »Halte den Mund, du störst«, macht zwar einen Regelverstoß deutlich, aber er wird nicht nur wegen der Schroffheit wenig Einsicht oder Nachvollziehbarkeit hervorrufen. Der Hinweis »Dein Dazwischen-Sprechen stört den Bericht von Onkel Norberts Indienreise, den wir gerne hören wollen« verdeutlicht ebenfalls, dass der Beitrag des Kindes jetzt nicht erwünscht ist. Aber gleichzeitig wird bei dieser Intervention zum Ausdruck gebracht, weshalb dies so ist, und zwar ohne Befehlston. Ein Hinweis wie »In fünf Minuten kannst du uns deine Gedanken mitteilen« wird den eigenen Mitteilungsdrang gut kanalisieren. Wenn der Redefluss des weit gereisten Onkels sich in die nächsten Stunden ergießen könnte, ist es wichtig, diesen auch zum vereinbarten Zeitpunkt zu stoppen. Nachvollziehbar und einfühlsam eingebrachte Botschaften bieten somit den geeignetsten Boden dafür, dass sie angenommen werden.
Bitte nie um etwas, wo ein Nein nicht vorgesehen ist, denn Bitten kann man ablehnen bzw. ignorieren.
Neben schroffen Aufforderungen behindern aber auch butterweiche Hinweise jeglichen Erziehungserfolg. »Würdest du bitte das Ziehen an meinen Haaren lassen, das gefällt mir gar nicht.« – »Kannst du dein Herumschmieren mit dem Waldbeerkuchen bitte aufhören, Oma findet es nämlich nicht toll, wenn dabei anschließend wieder Tischtuch und Teppich bekleckert sind.« Solchen Einwirkungsversuchen fehlt die Eindeutigkeit und Zielklarheit in der Aussage, das störende Verhalten zu beenden, und die Bitte-Form ist hier unangebracht. Ob hart oder soft, beiden Interventionsarten mangelt es gleichermaßen an Angemessenheit.
Werden Erziehungsverantwortliche auf mögliche Kritikpunkte im Umgang mit Kindern und Jugendlichen angesprochen, wird meist recht gereizt reagiert. Ob es um Ausgehzeiten, Konsumverhalten, Ordnung oder Kleidung geht, sehr schnell kommt dann der Satz »Das muss jeder selber wissen!«. Mag eine solche Redewendung in der Situation als Selbstverteidigung begrenzt tauglich sein, als Grundsatz ist er eine pädagogische Bankrotterklärung! Denn wenn wir immer wüssten, was richtig oder sinnvoll ist, würde sicher vieles anders entschieden. Eine Erweiterung des Blickfeldes, vor allem hinsichtlich der Folgen, wäre dagegen äußert hilfreich. Keinesfalls sollte eine Eingabe dazu führen, für einen anderen zu entscheiden. Was wir aber einzubringen haben, sind Kriterien und taugliches ›Handwerkszeug‹ im Umgang mit Entscheidungen. Unabdingbarer Maßstab dabei ist: Jeder hat auf jeden Fall die Konsequenzen seiner Entscheidungen zu tragen!
Was in einer Situation gut oder schlecht, förderlich oder hinderlich ist, wird häufig recht unterschiedlich bewertet. Aber gerade die Erziehung bietet den nötigen Raum zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prinzipien und widersprüchlichen Erwartungen, denen junge Menschen gegenüberstehen. Durch ein Nutzen dieser Chance können so Zug um Zug spezifische Pläne entworfen und angemessene Anhaltspunkte für die eigene Lebensgestaltung entwickelt werden. Regeln bieten dabei Orientierung und können auf ihre Standfestigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz überprüft werden.
Der Umgang mit Konflikten und das Finden von Kriterien zum Entwickeln von Kompromissen wäre ein weiteres wichtiges Lernfeld in der Erziehung. Stoßen Interessengegensätze aufeinander, kann weder ›mein Wille‹ noch ›sein oder ihr Wollen‹ den Ausschlag geben. Die Frage lautet: Was ist zu tun oder zu unterlassen, damit Gewolltes, Wichtiges oder Sinnvolles möglich wird? Auf den Bereich der Kindererziehung bezogen schreibt Rousseau: »Entweder wir tun,
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