Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
gilt, dass alles, was auf den Tisch kommt, gut essbar ist. Soll ich dir den kleinen Rest vom Mittagessen zum Nachmittag oder zum Abend warm machen?‹ ›Auch Tiere brauchen ein sauberes Zuhause. Du kannst am Samstag vormittags oder nachmittags den Kaninchenstall säubern, wann wirst du’s machen? Oder hast du eine andere Idee?‹ ›Ein guter Schulabschluss ist eine wichtige Voraussetzung für ein eigenständiges Leben. Die momentanen Noten erfordern eine gezielte Verbesserung. Dies wird dir als 13-Jährigem sicher auch klar sein. Wie wirst du diese erreichen? Vielleicht ist ja auch Nachhilfe eine Möglichkeit. Wir könnten dann überlegen, in welchem Umfang wir uns an den Kosten (für den Fall einer leidenschaftlichen ›Null Bock auf Schule‹-Phase) beteiligen.‹
Meist ist die Auseinandersetzung zur Vereinbarung ›Was passiert, wenn’s nicht passiert?‹ die Voraussetzung dafür, dass der Nachwuchs überhaupt ins Handeln kommt. Denn so wird verstärkt spürbar: Die Eltern – oder andere Erziehungskräfte – meinen es (nun vielleicht zum ersten Mal) ernst. Diese Zusammenhänge sind spätestens durch die Euro-Krise auch ins Blickfeld der Politik geraten, denn beim Aushandeln der EU-Verträge wurde ausgeblendet, zu regeln, welche Sanktionen einsetzen, wenn z. B. die Verschuldungs-Grenze dennoch überschritten wird. Ob in der Politik oder im Erziehungsalltag: Werden Konsequenzen nicht verdeutlicht bzw. wirksam, haben Vereinbarungen nur bei viel gutem Willen eine Umsetzungschance. Ein wichtiger Hinweis: Sprachmuster nach dem Motto ›Du bist dann um 20 Uhr zu Hause‹ sind keine Vereinbarungen, sondern Ansagen oder Befehle.
Wer Kinder in Watte packt, sie bevormundet oder auf den Sockel hebt, hindert sie daran, den Weg ins Leben selbst zu gehen. Sie sind weder Teil meines Selbst, wie dies Michael Winterhoff in seinem Buch Warum unsere Kinder Tyrannen werden eindrucksvoll beschrieben hat, noch die Projektion von dem, was ich immer schon gerne hätte sein wollen. Das Eltern-Bildungsprogramm »Starke Eltern – starke Kinder« bringt den Handlungsansatz auf den Punkt: Eltern haben meist ein beträchtliches Investitions-Programm zum Ausbau des eigenen Ich zu absolvieren. Denn damit Kinder nicht unzureichend auf das Leben vorbereitet werden, müssen Eltern und andere Erziehungskräfte massiv in ihrer Handlungskompetenz gestärkt werden. Diesem Ziel dienen die in diesem Abschnitt zusammengetragenen kleinen Geschehnisse im Umgang mit Kindern. Sie entstammen einer umfangreicheren Beratungsarbeit in der eigenen Praxis oder der Diskussions- bzw. Nachfragephase von Vortragsabenden für Eltern. Ziel war immer, mit den eingebrachten Vorkommnissen oder Störungen besser umgehen zu können. Auch wenn es keine besonders bedeutsamen Probleme waren, zehrten sie im täglichen ›Klein-Klein‹ kräftig an den Nerven von Müttern oder Vätern.
Sobald ich erste Ideen für einen neuen Lösungsansatz einbrachte, reagierten die Eltern meist nicht mit ›Mache ich dies besser so oder so?‹, sondern wichen irgendwie aus. Typische Äußerungen: »Ich glaube nicht, dass dies geht; meine Tochter sperrt sich bei so was immer.« Oder: »In anderen Fällen mag das ja gehen, aber mein Sohn macht das nie. Wissen Sie eigentlich, wie oft ich das schon versucht habe?« Diese Aussagen sind in der Regel Ausdruck der Ahnung bzw. Befürchtung: ›Wenn es nun wirklich klappt, dann wird das ja wohl an mir selbst liegen.‹ Und um sich nicht eine begrenzte Fähigkeit als Vater oder Mutter attestieren zu müssen, werden die neuen Vorgehenshinweise erst mal kräftig abgewehrt. Die persönliche Logik: ›Lieber weiter unter dem täglichen Gezeter mit dem Nachwuchs leiden, als einen persönlichen Mangel zuzugeben.‹ Die in solchen Situationen eingebrachte Entgegnung auf so viel latente oder offensive Abwehr »Das heißt, Sie wollen eigentlich gar keine Veränderung!« leitet meist – wenn auch sehr zögerlich und mit manch erneuten Widerstand-Attacken – die eigentliche Aufarbeitungsphase ein. Die Frage »Was hat das Kind/was haben Sie davon, wenn es sich so verhält?« führt mitten in die Lösungsphase.
Hintergrund dieser Überlegung ist die Erkenntnis von Alfred Adler, dass wir uns in der Regel so verhalten, wie es für uns nützlich ist bzw. zu sein scheint. Er nennt das, wie schon kurz erläutert, die Finalität (Zielgerichtetheit) unseres Handelns. In diesem Sinne verhalten wir uns in Entscheidungssituationen wie ein guter Kaufmann und machen
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