Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
auch, vor dem nächsten X + 1 eine Verschnaufpause einzulegen, weil Übereifer letztlich ebenso hinderlich wie fehlender Eifer ist.
So ändert sich der Blick auf meine Umgebung, ich frage nicht mehr, weshalb es zu etwas kam, sondern wozu etwas geschieht. Und jeder kleine Teilerfolg gibt Kraft und Mut zum nächsten Schritt. Auf Dauer verändert sich so nicht nur der Einzelne, sondern indirekt auch das Umfeld.
In einem Bild ausgedrückt verhält sich jede Gemeinschaft, ob Familie, Freundes- oder Kollegenkreis, wie ein Mobile: Wird ein Teil angestoßen, gerät das Ganze in Bewegung. Sich nicht der Bequemlichkeit hingeben, in Aktion bleiben, Verkrampfung vermeiden und möglichst ohne seelische und körper liche Deformationen auf der Zielgeraden ankommen: Solche Prinzipien gelten gleichermaßen für die Tour de France wie für den Weg des eigenen Lebens.
Aphorismen für die Zukunft
»Die unbequemste Art der Fortbewegung ist das ›In-sich-Gehen‹«, las ich vor Kurzem auf einem Kalenderblatt. Diese Beobachtung prägt im Schongang herangewachsene Menschen besonders. Obwohl die meisten wissen, dass wir unser Leben ändern müssen, um aus unseren Verweigerungen herauszukommen, glauben und hoffen wir, dass es auch ohne unser Tun gelingt. Eine interessante Paradoxie. Einerseits klagen die großen Religionen über einen Rückgang im Glaubensleben und dann ein solch fatalistisches Alltags-Credo. Aber Menschen haben immer schon viel Kreativität zur Entwicklung von Vermeidungsstrategien entwickelt. Statt zukunftsorientiert zu handeln, ergehen sie sich lieber in der Kunst der Selbstvernichtung. In der Umkehrung des Titels eines Buches von Paul Watzlawick zu sogenannten Hekates Lösungen bräuchten wir uns nur auf das ›Gute des Schlechten‹ zu konzentrieren. Denn weshalb sollte so viel Hirnschmalz in Aktion gebracht werden, nur um mir und anderen zu beweisen, dass es nicht geht?
Weiterführender und erfolgverheißender wäre, diese Ressourcen zur Optimierung der je anderen Lebensbedingungen zu nutzen. Kein erfolgsorientierter Kaufmann würde aufwendig Energie ins Nichts fließen lassen und damit den Untergang seines Unternehmens betreiben. Wer aber Ideen und Kräfte in das eigene ›Kleinunternehmen Persönlichkeit‹ investiert, kann bald eine positivere Bilanz vorweisen. Dann würden wir beispielsweise Angst reduzieren, Wahrnehmung fokussieren, überhöhte Ziele relativieren und Werkzeug- bzw. Alltagshandeln qualifizieren wollen. Und als Unternehmer in eigener Sache würde dies Mut für gezielte Interventionen zur Lageverbesserung machen. So wäre in einem Jahr vornehmlich in die Außenkontakte zu investieren, in einem weiteren Zeitraum stünde an, die Finanzabteilung zu reformieren, die Produktion zu überprüfen, Dienstleistungen zu verbessern oder Rücklagen aufzustocken. Ab einem bestimmten Punkt wäre dann von selbst festzustellen, dass der Erfolg weder zu verhindern noch zu verheimlichen ist.
Klare Ziele, eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst, Verantwortung, Rücksicht und Leistungsbereitschaft, eingebunden in ein beitragendes soziales Verhalten, sind somit die Eckpunkte für ein zufriedenes Leben. Es wird sich in einer anerkannten und anerkennenden Position im jeweiligen Lebensumfeld äußern.
Schon der griechische Philosoph Epikur vermittelte innerhalb seiner Lehre zu einer ars vitae:
›Glück entsteht auf der Basis eines sinnvollen Lebensentwurfes und braucht zur Entwicklung die Gemeinschaft mit Freunden.‹
Da der Lebensstil von verwöhnten Menschen solchen Vorstellungen und Zielen zuwiderläuft, ist der Einsatz für eine konsequente Reduktion verwöhnender Praktiken, ob sich selbst oder anderen gegenüber, eine Vorbedingung zum persönlich geschaffenen Lebensglück des Einzelnen wie zum Wohlergehen ganzer Gesellschaften. Aber das Brecht-Zitat »Es ist kein Weg so schwer wie der Vormarsch zurück zur Vernunft« verdeutlicht, dass reichlich Wille und Kraft notwendig sind, um einen häufig beschrittenen Verwöhn-Irrweg zu verlassen. Erscheint Ihnen das Ganze dennoch viel zu aufwendig – vielleicht gibt es ja doch zwei Leben, eins zum Ausprobieren und eins zum …?!
Praxistipps für den Erziehungsalltag
Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten.
Thomas von Aquin
Auch wenn die meisten Eltern oder andere Erziehungskräfte wissen, dass weder ein ›autoritäres Durchgreifen‹ noch ein ›Laufenlassen‹ zielfördernd ist, pendeln sie meist zwischen diesen beiden
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