Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
wenn du dann noch eine Detailfrage haben solltest, kannst du ja auf mich zukommen.«
Der Sohn stapfte wütend in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. »Ich holte erst mal Luft und war froh, dass ich mich zwischenzeitlich am Bügeleisen festhalten konnte. Ich wäre sonst sicher wieder umgekippt. Als mein Sohn ca. 40 Minuten später aus dem Zimmer kam und recht fröhlich nach draußen streben wollte – er hatte niemand angerufen –, fragte ich, was denn nun aus den Hausaufgaben geworden sei. Er, leicht zischend: ›Die habe ich gemacht!‹, und raus war er.«
Die Mutter fasste – sichtlich strahlend – ihre Erfahrung in dem Satz zusammen: »Jetzt weiß ich, was Sie mir auf meine Frage innerhalb des Elternseminars eigentlich mitteilten.« Zur Ergänzung gab sie noch ein kleines Geständnis preis: »An dem Abend war ich nach Ihrer Antwort stinkesauer.« Ich frage: »Auf wen?« Sie: »Erst auf Sie und dann auf mich.« Ich sagte lachend: »Mit dieser Reihenfolge kann ich gut leben«, und wünschte ihr viel Kraft für weitere Veränderungsschritte.
»Ich habe keine Lust, mein Zimmer aufzuräumen!«
13-Jährige zum Zimmer-Aufräumen zu veranlassen, um damit ein vertretbares Ordnungs-Niveau zu erreichen, ist eine beträchtliche Herausforderung. Mal kommt als Argument, dass es ja gar nicht so schlimm sei, wenn sich Sohn oder Tochter nicht dem elterlichen Ordnungswahn unterwerfen wollen. Von Kinderseite kommt dagegen sehr häufig: »Mach ich morgen!« Eine weitere Variante das Argument, dass es sich ja schließlich um ›mein‹ Zimmer handle und die Mutter da gar nichts reinzureden habe. Kurzum: »Ich habe keine Lust!«
Es ist sinnvoll, sich die Äußerungen des Nachwuchses einmal genauer anzuschauen. Was den elterlichen Ordnungs-Sinn angeht, ist zu überprüfen, ob er wirklich leicht oder stark überzogen ist. Dann ist eine Kompromiss-Suche angesagt. Andererseits ist das Argument ›Das ist mein Zimmer‹ unter einem doppelten Gesichtspunkt zu hinterfragen: Zum einen funktioniert die Wohngemeinschaft Familie nur, wenn es auch einen verlässlichen Grundkonsens in Richtung Ordnung und Sauberkeit gibt. Schließlich hat das Verhalten des Einzelnen immer auch Auswirkungen auf die anderen. Denn wenn sich zum Beispiel ein eigentümlicher Geruch oder kleine Silberfische aus dem ›Schmutz-Biotop‹ von Sohn oder Tochter ›Schlampig‹ in der Wohnung ausbreiten und die Hinterlassenschaften in Bad und Toilette der restlichen Familie kräftig auf den Nerv gehen, dann ist Handeln angesagt. Zum anderen: Wenn Söhne oder Töchter zu lauthals auf Ordnungshoheit in den ›eigenen‹ vier Wänden bestehen, dann können folgende Hinweise eine Relativierung erreichen: Etwas Eigenes setzt immer voraus, es bezahlt zu haben oder geschenkt zu bekommen. In der Regel wird weder eine Warm-Miete bezahlt noch sind die Möbel ein Geschenk an die Kinder gewesen. Und selbst wenn Volljährige im Elternhaus über eigene Möbel verfügen und Miete entrichten würden, wären die Regeln des Zusammenlebens damit nicht außer Kraft gesetzt. So ist häufig zu beobachten, dass Eltern bei den eigenen Kindern mehr ›faule‹ Kompromisse – ›um des lieben Frieden willens‹ – eingehen, als sie dies bei einem regelmäßig zahlenden Untermieter zulassen würden.
Wenn also nach einer deutlichen Klärungsphase vereinbart ist, dass z. B. am Freitagabend das Zimmer sich grundsätzlich im vertretbaren und genau definierten Zustand X zu befinden hat, das Behausungs-Ambiente zu diesem Zeitpunkt von Vater oder Mutter kontrolliert wird und auch vorher geklärt wurde, was passiert, wenn Sohn oder Tochter die Vereinbarung ›vergessen‹ haben, dann sind Sie einen wesentlichen Schritt weiter. Und wenn dann doch noch mal der Satz »Dazu habe ich keine Lust« kommt, dann hat sich folgende Entgegnung sehr gut bewährt: »Ach, das ist nicht so tragisch. Manchmal mache ich meine tägliche Arbeit ohne und manchmal mit Lust. Meistens geht es mit Lust leichter von der Hand. Probiere doch auch mal aus, ob es bei dir mit oder ohne Lust besser klappt und sag mir Bescheid, wenn du fertig bist. An dem Termin Freitagabend ändert dies natürlich nichts.«
»Mein Kind kann nicht mit anderen in einem Zimmer schlafen!«
Die Kirchengemeinde hatte alle Eltern der Erstkommunion-Kinder zu einer Wochenendfahrt des gegenseitigen Kennenlernens in eine Jugendherberge eingeladen. Außer Franz waren alle Kinder angemeldet. Die Gemeindereferentin mutmaßte, dass es vielleicht
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