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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ausmachen«, sagte sie. Er tat es. Sie fuhren schweigend über die Brücke, und der steil aufragende Kohlenberg rückte erst bedrohlich näher, um dann hinter ihnen kleiner zu werden. Im Grunde wissen wir nicht, wie unsere Zukunft aussieht, dachte Wallingford; welche Zukunft jemand mit einem anderen hat, ist ungewiß. Dennoch stellte er sich vor, er sähe seine Zukunft mit Doris Clausen vor sich. Er sah sie in dem unwirklichen, überdeutlichen Glanz, mit dem ihm, im Dunkeln unter dem Bootshaussteg, die beiden Eheringe ins Auge gesprungen waren. Seine Zukunft mit Mrs. Clausen hatte etwas Goldenes -und das vielleicht um so mehr, weil er sie als so unverdient empfand. Er verdiente sie ebensowenig, wie die beiden Ringe mit ihren gehaltenen und ungehaltenen Versprechen es verdienten, nur Zentimeter über dem kalten See unter einem Bootssteg angenagelt zu sein. Und wie lange würde er mit Doris zusammensein oder sie mit ihm? Es war fruchtlos, darüber zu spekulieren - ebenso fruchtlos wie der Versuch, zu erraten, wie viele Winter es brauchen würde, um das Bootshaus zum Einsturz zu bringen und in dem namenlosen See versinken zu lassen. »Wie heißt eigentlich der See?« fragte er Doris plötzlich. »Der See, wo das Cottage ist.«
    »Wir mögen den Namen nicht«, sagte ihm Mrs. Clausen. »Wir benutzen ihn nie. Es ist einfach nur das Cottage am See.« Dann, als wüßte sie, daß er an die beiden unter den Steg genagelte Ringe gedacht hatte, sagte sie: »Ich habe Ringe für uns ausgesucht. Ich zeige sie dir, wenn wir im Hotel sind. Diesmal habe ich mich für Platin entschieden. Ich werde meinen am Ringfinger der rechten Hand tragen.« (Wo auch der Löwenmann, wie jeder wußte, seinen würde tragen müssen.)
    »Du weißt doch, wie es heißt«, sagte Mrs. Clausen. »›Die Wahrheit liegt auf dem Rasen.‹«
    Woher das stammte, konnte Wallingford sich denken. Selbst für ihn roch der Satz nach Football - und nach einem Mut, an dem es ihm bisher gefehlt hatte. Tatsächlich standen die Worte auf dem alten Schild unten an der Treppe in Lambeau Field, dem Schild über der Tür, die zur Umkleidekabine der Packers führte.
    DIE WAHRHEIT
LIEGT
AUF DEM RASEN
    »Kapiert«, erwiderte Patrick. In einer Toilette im Stadion hatte er einen Mann gesehen, der sich, so wie Donny sein Gesicht, den Bart gelb-grün gefärbt hatte; allmählich wurde ihm klar, welches Maß an Hingabe das erforderte. »Kapiert«, wiederholte er.
    »Nein, du hast es nicht kapiert«, widersprach ihm Mrs. Clausen. »Noch nicht, nicht ganz.« Er betrachtete sie genauer - sie hatte aufgehört zu weinen. »Mach das Handschuhfach auf«, sagte Doris. Er zögerte; ihm fiel ein, daß Otto Clausens Revolver darin lag und daß er geladen war. »Na los - mach es auf.«
    Im Handschuhfach lag ein offener Umschlag, aus dem Fotos hervorschauten. Er konnte Löcher von Reißnägeln darin sehen - und auch den einen oder anderen Rostfleck. Natürlich wußte er, woher die Fotos kamen, noch ehe er sah, was sie zeigten. Es waren die Fotos - ein Dutzend oder mehr -, die Doris einmal an die Wand auf ihrer Seite des Bettes gepinnt, die Bilder, die sie abgenommen hatte, weil sie ihren Anblick in dem Bootshaus nicht mehr ertragen konnte. »Bitte sieh sie dir an«, bat sie ihn.
    Sie hielt an. Sie befanden sich in Sichtweite des Hotels. Sie war einfach zur Seite gefahren und hatte mit laufendem Motor angehalten. Die Innenstadt von Green Bay war wie ausgestorben; alles war zu Hause oder kehrte gerade von Lambeau Field nach Hause zurück. Die Fotos hatten keine bestimmte Reihenfolge, aber Wallingford erfaßte rasch, was sie zum Gegenstand hatten. Sie zeigten allesamt Otto Clausens linke Hand. Auf manchen Fotos war sie noch mit Otto verbunden. Man sah den muskulösen Arm des Bierwagenfahrers; man sah auch Ottos Ehering. Auf einigen Bildern hatte Mrs. Clausen den Ring abgezogen - von der Hand des Toten, wie Wallingford wußte. Es waren auch Fotos von Patrick Wallingford dabei. Nun ja, zumindest von Patricks neuer linker Hand - nur der Hand. Aufgrund der unterschiedlich starken Schwellung von Hand, Handgelenk und Operationsbereich am Unterarm konnte Wallingford bestimmen, in welchem Stadium Doris ihn mit Ottos Hand - der dritten, wie sie sie nannte - fotografiert hatte.
    Er hatte also doch nicht geträumt, daß er im Schlaf fotografiert wurde. Deswegen war ihm das Geräusch des Verschlusses so real vorgekommen. Und mit geschlossenen Augen hatte er den Blitz natürlich als etwas Schwaches, Fernes

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