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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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das Zehnsekundenbild des Bierlasters auf dem fast leeren Parkplatz und den dünnen Schnee, der wie ein Gazeschleier über dem verlassenen Fahrzeug lag.
    »Hier war die Party für diesen Packer-Fan zu Ende«, intonierte Stubby. Was für ein Käse! dachte Patrick Wallingford. (Das sollte keine Anspielung sein - bislang hatte er noch keine Ahnung, was ein Cheesehead war.)
    Patrick war schon fast zur Tür hinaus, als das Telefon in seinem Hotelzimmer klingelte; vor lauter Sorge, sein Flugzeug zu verpassen, hätte er beinahe nicht abgenommen. Es war Dr. Zajac, der von Massachusetts aus anrief. »Mr. Wallingford, heute ist Ihr Glückstag«, begann der Handchirurg.
    Während er auf seinen Anschlußflug nach Boston wartete, sah Wallingford sich selbst in den 24-Stunden-Nachrichten; er sah, was von der Story übriggeblieben war, derentwegen man ihn nach Mexico City geschickt hatte. Nicht jeder in Mexiko hatte sich am Super-Bowl-Sonntag die Super Bowl angesehen.
    Angehörige und Freunde des berühmten Schwertschluckers Jose Guerrero hatten sich im Maria-Magdalena-Krankenhaus eingefunden, um für seine Genesung zu beten; während eines Auftritts in einem Touristenhotel in Acapulco war Guerrero auf der Bühne gestolpert und gestürzt und hatte sich dabei die Leber durchstochen. Man hatte es riskiert, ihn von Acapulco nach Mexico City zu fliegen, wo er sich nun in den Händen eines Spezialisten befand - Stichwunden in der Leber bluten sehr langsam. Über hundert Freunde und Angehörige hatten sich in der kleinen Privatklinik versammelt, die von Hunderten weiterer Anteilnehmender belagert wurde.
    Wallingford kam sich vor, als hätte er sie alle interviewt. Mittlerweile aber, während er im Begriff stand, nach Boston zu fliegen, um seine neue Hand kennenzulernen, war er froh, daß man seinen Dreiminutenbericht auf anderthalb Minuten gekürzt hatte. Er brannte darauf, die Wiederholung von Stubby Farrells Geschichte zu sehen; diesmal würde er besser aufpassen.
    Dr. Zajac hatte ihm gesagt, Otto Clausen sei Linkshänder gewesen, aber was genau hieß das? Wallingford war Rechtshänder. Bis zu der Geschichte mit dem Löwen hatte er das Mikrofon immer in der Linken gehalten, um die Rechte zum Händeschütteln frei zu haben. Nun, da er nur noch eine Hand hatte, in der er das Mikrofon halten konnte, verzichtete er weitgehend auf das Händeschütteln.
    Wie würde es sein, wenn man als Rechtshänder die linke Hand eines Linkshänders bekam? War die Linkshändigkeit nicht eine Funktion von Clausens Gehirn gewesen? Die Festlegung auf Linkshändigkeit erfolgte doch sicherlich nicht in der Hand. Patrick dachte sich unentwegt Hunderte solcher Fragen aus, die er Dr. Zajac stellen wollte. Am Telefon hatte der Arzt lediglich gesagt, die zuständigen medizinischen Stellen hätten dank »Mrs. Clausens Geistesgegenwart« so rasch gehandelt, daß die Hand erhalten geblieben war. Dr. Zajac hatte genuschelt. Normalerweise nuschelte er nicht, aber er war fast die ganze Nacht aufgewesen und hatte den sich erbrechenden Hund versorgt, und dann hatte er - unter Rudys übereifriger Mithilfe - versucht, die seltsam aussehende Substanz (im Erbrochenen) zu analysieren, von der Medea schlecht geworden war. Rudy war der Meinung, das teils verdaute Klebeband sehe nach den Überresten einer Seemöwe aus. Wenn das stimmte, dachte Zajac bei sich, dann war der Vogel, als der Hund ihn gefressen hatte, schon lange tot und außerdem klebrig gewesen. Doch bei aller analytischen Veranlagung kamen Vater und Sohn erst dann dahinter, was Medea gefressen hatte, als am Montag morgen der Dog-Watch-Mann anrief, um sich zu erkundigen, wie die unsichtbare Schranke funktionierte, und um sich dafür zu entschuldigen, daß er seine Klebebandrolle hatte liegenlassen.
    »Sie waren am Freitag mein letzter Termin«, sagte der Dog-Watch-Mann, als wäre er ein Detektiv. »Ich muß mein Klebeband bei Ihnen liegengelassen haben. Sie haben es wohl nicht irgendwo gesehen?« »Doch - in gewisser Weise schon«, war alles, was Dr. Zajac herausbrachte.
    Der Doktor hatte sich noch immer nicht vom Anblick der frisch geduschten Irma erholt. Die junge Frau hatte nackt in der Küche gestanden und sich das Haar trockenfrottiert. Sie war früh am Montag morgen aus dem Wochenende zurückgekommen, war laufen gegangen und hatte dann geduscht. Sie stand nackt in der Küche, weil sie angenommen hatte, daß sie allein im Haus war - wobei man nicht vergessen darf, daß sie ja ohnehin wollte, daß Zajac sie nackt

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