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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Einbruchsversuch gekümmert hätte, der hinten an seinem Laster im Gange war.
    Otto war noch immer schwer betrunken, und vielleicht fühlte sich die Smith & Wesson wegen der Eiseskälte des Metalls für ihn nicht ganz so vertraut an wie sonst. (Außerdem war er aus einem Traum hochgeschreckt, der so verstörend war wie der Tod selbst - seine Frau hatte mit dem Katastrophenmann geschlafen, der sie mit Ottos linker Hand berührt hatte!) Ob er den Revolver mit der rechten Hand spannte, ehe er versuchte, ihn in die Linke zu nehmen, oder ob er die Waffe unabsichtlich spannte, als er sie aus dem Handschuhfach nahm, werden wir nie erfahren.
    Der Revolver ging los - soviel wissen wir -, und die Kugel drang vom Unterkiefer her in Ottos Schädel ein. Sie folgte einer geraden Bahn und trat auf der Schädelkrone des guten Mannes wieder aus, wobei sie Blut- und Knochenpartikel und ein Stück Gehirnmasse mit sich riß, wovon sich Spuren an der gepolsterten Decke der Fahrerkabine wiederfanden. Die Kugel selbst durchschlug auch das Dach. Otto war sofort tot. Der Schuß erschreckte die jungen Diebe am hinteren Ende des Lasters zu Tode. Ein Gast, der gerade die Sportkneipe verließ, hörte den Schuß, das Wimmern, mit dem die verschreckten Teenager um Gnade flehten, und sogar das Klirren des Stemmeisens, das sie auf dem Parkplatz fallen ließen, als sie in die Nacht hinausrannten. Die Polizei faßte sie bald, und sie gestanden alles - ihre gesamte Lebensgeschichte bis zu dem Augenblick dieses ohrenbetäubenden Schusses. Bei ihrer Festnahme wußten sie nicht, woher der Schuß gekommen und daß tatsächlich jemand getroffen worden war.
    Während der erschrockene Gast in die Sportkneipe zurückkehrte und der Barkeeper die Polizei rief - er berichtete lediglich, es sei ein Schuß gefallen und jemand habe Teenager weglaufen sehen -, traf der Taxifahrer auf dem Parkplatz ein. Es fiel ihm nicht schwer, den Bierlaster auszumachen, doch als er sich der Fahrerkabine näherte, an der Fahrerseite ans Fenster klopfte und die Tür öffnete, fand er Otto zusammengesackt über dem Lenkrad, auf dem Schoß die 38er.
    Noch ehe die Polizei Mrs. Clausen verständigte, die bei dem Anruf tief und fest schlief, war man sich dort bereits sicher, daß Ottos Tod kein Selbstmord war - jedenfalls nicht das, was die Cops als »geplanten Selbstmord« bezeichneten. Für die Polizei hatte der Bierwagenfahrer eindeutig nicht vorgehabt, sich umzubringen. »So einer war er nicht«, sagte der Barkeeper.
    Zugegeben, der Barkeeper hatte keine Ahnung, daß Otto Clausen über ein Jahrzehnt lang versucht hatte, seine Frau zu schwängern; der Barkeeper hatte auch keinen Schimmer davon, daß Ottos Frau wollte, daß Otto seine Hand Patrick Wallingford, dem Löwenmann, vermachte. Der Barkeeper wußte nur, daß Otto Clausen sich niemals umgebracht hätte, weil die Packers die Super Bowl verloren hatten. Wie Mrs. Clausen die Gefaßtheit aufbrachte, noch in jener Sonntagnacht bei Schatzman, Gingeleskie, Mengerink & Partner anzurufen, wissen die Götter. Der Fernsprechauftragsdienst meldete ihren Anruf Dr. Zajac, der zufällig zu Hause war.
    Zajac war ein Broncos-Fan. Nur um das zu verdeutlichen: Eigentlich war Dr. Zajac, Gott sei ihm gnädig, ein New-England-Patriots-Fan, aber in der Super Bowl hatte er den Broncos die Daumen gedrückt, weil Denver in derselben Liga spielte wie New England. Als der Anruf seines Auftragsdienstes kam, war er gerade dabei, seinem sechsjährigen Sohn zu erklären, aufgrund welcher verqueren Logik er gewollt hatte, daß die Broncos gewannen. Wenn, so Rudys Meinung, die Patriots nicht in der Super Bowl waren, und das waren sie nicht, was spielte es dann für eine Rolle, wer gewann?
    Während des Spiels hatten sie einen ziemlich gesunden Snack zu sich genommen - gekühlte Selleriestengel und Möhrenstücke mit Erdnußbutter als Dip. Irma hatte Dr. Zajac vorgeschlagen, er solle es mit dem »Erdnußbuttertrick«, wie sie das nannte, probieren, um Rudy dazu zu bringen, daß er mehr rohes Gemüse aß. Zajac nahm sich gerade vor, Irma für ihren Vorschlag zu danken, als das Telefon klingelte. Das Klingeln schreckte den Hund auf, der in der Küche war. Medea hatte gerade eine Rolle Klebeband gefressen. Noch war ihr nicht schlecht, aber sie hatte ein schlechtes Gewissen, und der Telefonanruf überzeugte sie wohl, daß sie auf frischer Tat ertappt worden war, obwohl Rudy und sein Vater nicht wußten, daß sie es gefressen hatte, bis sie es auf Rudys Bett erbrach,

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