Die vierte Hand
hatte er es geschafft, einzuschlafen, während er nach dem Handschuhfach langte? Daß er zu betrunken war, um zu träumen, war ein Segen, jedenfalls fand er das. Otto hatte durchaus geträumt - er war nur zu betrunken, um es zu merken, zumal es sich um einen ganz neuen Traum handelte.
Er spürte den warmen, schweißschlüpfrigen Nacken seiner Frau in seiner rechten Armbeuge; er war dabei, sie zu küssen, seine Zunge war tief in ihrem Mund, während er sie mit seiner linken Hand - Otto war Linkshänder - immer wieder berührte. Sie war sehr feucht, ihr Unterleib preßte sich nach oben gegen seinen Handballen. Seine Finger berührten sie so leicht wie möglich; er gab sich alle Mühe, sie so gut wie gar nicht zu berühren. (Sie hatte ihm beibringen müssen, wie das ging.) Plötzlich griff Mrs. Clausen in dem Traum, von dem Otto nicht wußte, daß es ein Traum war, nach Ottos linker Hand und führte sie an ihre Lippen; sie nahm seine Finger in den Mund, während er sie küßte, und sie schmeckten beide ihr Geschlecht, während er sich auf sie legte und in sie eindrang. Weil er ihren Kopf leicht an seinen Hals drückte, waren ihm die Finger seiner linken Hand, in ihrem Haar, so nahe, daß er sie riechen konnte. Seine rechte Hand lag auf dem Bett, neben ihrer linken Schulter; sie hielt das Laken gepackt. Nur erkannte Otto sie nicht - es war nicht seine Hand! Sie war zu klein, zu feinknochig; sie war beinahe zart. Doch die linke Hand war seine gewesen - er würde sie überall erkennen. Dann sah er seine Frau unter sich, aber aus einigem Abstand. Es war nicht Otto, unter dem sie lag; die Beine des Mannes waren zu lang, seine Schultern zu schmal. Otto erkannte das Gesicht des Löwenmanns im Profil - Patrick Wallingford vögelte seine Frau!
Nur Sekunden später, und in Wirklichkeit nicht mehr als ein paar Minuten nachdem er in seinem Laster eingeschlafen war, wachte Otto auf. Er lag auf der rechten Seite, sein Körper war über die Gangschaltung gekrümmt, der Schalthebel stupste ihn zwischen die Rippen, sein Kopf lag auf seinem rechten Arm, seine Nase berührte den kalten Beifahrersitz. Was seine Erektion anging - denn natürlich hatte er von seinem Traum einen Ständer bekommen -, so hielt er sie mit seiner Linken fest gepackt. Auf einem Parkplatz!, dachte er voller Scham. Er stopfte sich rasch das Hemd in die Hose und zog sich den Gürtel fester. Otto starrte in das offene Handschuhfach. Da lag sein Handy - außerdem lag da, in der äußersten rechten Ecke, sein 38er Revolver, ein voll geladener Smith & Wesson, dessen kurzer Lauf in die ungefähre Richtung des rechten Vorderrades zeigte.
Otto muß sich auf den rechten Ellbogen aufgestützt oder aber fast in sitzende Position aufgerichtet haben, ehe er die Geräusche der Teenager hörte, die dabei waren, seinen Bierlaster aufzubrechen. Es waren bloß Kids, aber sie waren ein bißchen älter als die Jungs aus seinem Viertel, an die Otto die Bierdeckel, Aufkleber und Poster verteilte - und sie führten nichts Gutes im Schilde. Einer stand in der Nähe der Kneipentür Schmiere; wenn ein Gast herausgekommen und zum Parkplatz gegangen wäre, hätte der Wachtposten die beiden, die den Bierlaster aufbrachen, warnen können.
Otto Clausen hatte nicht etwa deshalb einen geladenen 38er in seinem Handschuhfach, weil er Bierwagenfahrer war und Bierlaster häufig aufgebrochen wurden. Er hätte nicht im Traum daran gedacht, auf jemanden zu schießen, nicht einmal zur Verteidigung von Bier. Aber Otto war, wie so viele wackere Bewohner von Wisconsin, ein Waffennarr. Er mochte alle Arten von Schußwaffen. Er war außerdem Rotwild- und Entenjäger. Er jagte in der entsprechenden Saison sogar mit Pfeil und Bogen und hatte damit zwar noch nie ein Stück Rotwild geschossen, wohl aber viele mit dem Gewehr - die meisten in der Umgebung des Cottage der Clausens.
Otto war auch Angler - er war ein Allroundfreiluftmensch. Und obwohl er sich damit, daß er einen geladenen 38er im Handschuhfach hatte, strafbar machte, hätte kein einziger Bierwagenfahrer ihm deswegen Vorwürfe gemacht; aller Wahrscheinlichkeit nach hätte die Brauerei, für die er arbeitete, seine Haltung sogar insgeheim gutgeheißen. Otto muß den Revolver wohl mit der rechten Hand aus dem Handschuhfach genommen haben - hinterm Steuerrad sitzend, konnte er schlecht mit der Linken ins Handschuhfach greifen -, und weil er Linkshänder war, hätte er die Waffe wohl mit ziemlicher Sicherheit in die Linke genommen, ehe er sich um den
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