Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
Boden. Wie hatte man sie so hoch hängen können?
Der Mörder – oder die Mörder – mussten ja erst einmal einen Ort finden, wo es genug starke Äste gab, um drei Männer gleichzeitig daran aufzuknüpfen. Selbst in größeren Waldstücken waren diese »Galgenbäume« recht selten. Sie schaute auf die Leute des Sheriffs, die überall herumstapften, und wandte sich an Braden. »Die Jungs sollten die Augen offen halten. Hier muss es irgendwo Fahrzeugspuren geben.« Aber sosehr sie auch das Unterholz und den Waldboden musterte, sie konnte nichts dergleichen erkennen.
»Man sollte es eigentlich annehmen«, meinte dann der Sheriff und schaute seinerseits auf den Erdboden direkt vor seinen Schuhen, als ob die Spuren gerade dort zu finden seien. »Der Täter muss eine Winde oder so etwas benutzt haben.« Dann wandte er sich an seine Assistenten. »Alle mal herhören. Seid vorsichtig und passt auf, wohin ihr tretet. Wir sollten nicht den ganzen Tatort zertrampeln. Und achtet auf Fahrzeugspuren!«
»Diese Jungs mit der Vermessungsausrüstung … Haben die die Leichen gefunden?«, fragte Diane.
Der Sheriff nickte. »Sie haben nach geeignetem Holz für eine Papierfabrik gesucht. Dieses Land hier gehört Georgia Paper.«
»Dann müssten die beiden sich in diesem Gelände ja gut auskennen.«
»Da bin ich mir sicher.«
Plötzlich bemerkte er, wie ein junger Deputy ein Stück Kautabak auf den Boden spuckte. »Verdammt noch mal, Ricky, was zum Teufel machst du denn da? Heb das wieder auf.«
»Was?« Der junge Beamte schaute seine Kollegen an, die den Kopf schüttelten und ihr Lachen zu unterdrücken versuchten.
»Diesen Tabak da, den du gerade ausgespuckt hast. Heb den wieder auf. Dies ist ein Tatort und kein Bürgersteig.«
»Ja, was soll ich denn mit dem Zeug jetzt machen?«
»Das ist mir ganz egal. Steck es halt wieder in den Mund. Nur auf den Boden gehört das nicht.«
Während dieses verbalen Schlagabtauschs holte Diane eine Tüte aus ihrer Tasche, markierte sie mit einem roten X und reichte sie dem Sheriff.
Dieser schlug seinem Gehilfen damit leicht auf den Arm. »Hier. Tu es da hinein und trag es dann rüber zu deinem Wagen. Und dann fragst du die Holzleute, ob es hier irgendwo einen Waldweg gibt. Leon, du gehst mit und passt auf, dass er keinen Unsinn anstellt.«
Der Gescholtene hob mit einem Laubbüschel seinen Kautabak wieder auf und steckte das Ganze in die braune Papiertüte.
Als er und sein Kollege sich zur Straße aufmachten, rief ihnen der Sheriff noch nach: »Und pisst auf dem Rückweg nicht ins Unterholz.« Danach wandte er sich wieder Diane zu. »Ich frage mich manchmal, wie der es durch einen ganzen Tag schafft.«
Diane unterdrückte ein Lächeln und fragte: »War der amtliche Leichenbeschauer bereits da?«
»Noch nicht. Sie wissen, dass wir einen neuen haben?«
»Es ist nicht mehr Sam Malone?«
»Nein. Der ist in den Ruhestand gegangen und nach Florida gezogen. Jetzt haben wir sogar eine Beschauer in, Lynn Webber. Sie ist auch noch ärztliche Leichenbeschauerin und Pathologin am örtlichen Krankenhaus. Ein wirklich kluges Mädchen. Wirklich ausgesprochen klug.«
»Sprechen Sie etwa über mich, Mick Braden?«
Sheriff Bradens Gesicht hellte sich augenblicklich auf, als sich eine junge Frau näherte, die Designerjeans und einen weißen Laborkittel trug. »Nur Gutes«, sagte er. »Lynn, das ist Diane Fallon …«
Lynn Webber war um etliches kleiner als Diane Fallon mit ihren ein Meter vierundsiebzig. Außerdem war ihr kurzes, glänzend schwarzes Haar sehr viel modischer frisiert als Dianes pflegeleichter Haarschnitt. Sie streckte Diane die Hand hin und schenkte ihr ein Lächeln, das ihre gebleichten, strahlend weißen Zähne enthüllte. »Ich liebe Ihr Museum. Ich habe es meinen Eltern gezeigt, als sie mich neulich besuchten. Es hat sie einen ganzen Tag vergessen lassen, womit ich mein Geld verdiene.« Als sie lachte, funkelten ihre Augen.
»Ich vermute, Leichenbeschauer ist nicht gerade der Beruf, den sie sich für ihre Tochter vorgestellt hatten«, entgegnete Diane und schüttelte ihr die Hand.
»Eigentlich sollte ich Kinderärztin werden.«
Dann erblickte Lynn die im Baum hängenden Körper. »Guter Gott. Kein ganz schöner Anblick, oder, Sheriff?«
»Sie sagen es.« Der Sheriff nickte. »Aber ich war dann doch etwas erleichtert, als Diane Fallon mir erklärte, dass dies ganz natürliche Ursachen habe.«
Lynn legte eine Hand auf seinen Arm. »Ich wette, Sie dachten, jemand hätte sie
Weitere Kostenlose Bücher