Die vierte Todsuende
gründlich bei jemand auszusprechen. Und er fühlte, dass er auch seiner Frau damit etwas Gutes erwies — er erzählte jemand anderem, wie glücklich Meg ihn gemacht hatte.
Sylvia hörte still zu, stellte nur gelegentlich Fragen, die von aufrichtiger Anteilnahme zeugten. Sie saßen nahe beieinander auf dem Sofa, und im Verlauf seiner Erzählung nahm sie seine Hand und hielt sie fest in der ihren. Er missverstand diese Geste keinen Moment, er war ihr dankbar dafür, dass sie ihm diese nahe Berührung anbot. Und als er geendet hatte, drückte er ihre Hand an seine Lippen.
»Nun, das also war die traurige Geschichte meines Lebens. Sie müssen mir verzeihen, dass ich das alles so vor Ihnen ausbreite, schließlich haben Sie Ihre eigenen Schwierigkeiten…«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen. Trinken wir jetzt nach dem Essen etwas?«
Sie nahm die geschliffene Karaffe von der geschnitzten koreanischen Truhe, stellte sie auf den Tisch und sagte unvermittelt: »Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen? Ich muss einmal telefonieren.« Sie wählte auf der Scheibe des altmodischen Telefons drei Zahlen. »Charles? Hier ist Miss Otherton. Wie geht es Ihnen?… Sehr schön … Nichts da für mich heute?… Danke. Gute Nacht.«
»Keine Post für mich«, teilte sie Estrella mit. »Nicht mal Rechnungen.«
Estrella starrte sie an, blickte auf die Uhr. 21 Uhr 14. Er legte die Pfeife aus der Hand. »War das der Portier, mit dem Sie gerade gesprochen haben, Sylvia?«
»Ja. Charles. Der hat Nachtdienst. Ich fragte ihn, ob Post für mich gekommen ist. Dann brauche ich nicht runterzugehen und selbst nachzusehen.«
»Rufen Sie ihn immer abends deshalb an?«
»Ja. Warum?«
»Und immer um diese Zeit?«
»Meistens. Weshalb?«
Sie verstummte, riss die Augen auf und legte die Hand an den Mund: »Ach herrje!«
»Und uns haben Sie gesagt, dass Sie an jenem Freitagabend nicht telefoniert haben.«
»Das habe ich völlig vergessen! Das ist reine Gewohnheitssache, Brian, es tut mir furchtbar leid. Aber dass ich damals angerufen habe, glaube ich ganz fest.«
»Dann warten Sie mal hier einen Moment und drücken mir die Daumen.«
Er rannte nach unten, wies sich aus und sprach fast fünf Minuten lang mit dem Nachtportier. Der war bereit zu beschwören, dass Miss Otherton unfehlbar zwischen 21 Uhr und 21 Uhr 30 nach ihrer Post fragte, telefonisch und jeden Tag.
»Das tun viele unserer Mieter, besonders die älteren. Es erspart ihnen den Weg zum Hausbriefkasten. Und mir macht das nichts aus. Hier ist es nachts ziemlich langweilig, und so rede ich doch von Zeit zu Zeit mit jemandem.«
»Und Sie wissen mit Bestimmtheit, dass Miss Otherton es niemals unterlässt, bei Ihnen nachzufragen?«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals nicht angerufen hätte. Pünktlich wie eine Uhr ist sie.«
»Und zwischen neun und halb zehn?«
»Genau.«
»Erinnern Sie sich, dass sie am Freitag vor vier Wochen angerufen hat? Da war der Abend, wo es so fürchterlich geregnet hat.«
»Daran erinnere ich mich nicht, nur daran, dass sie keinen Abend, seit ich hier arbeite, nicht angerufen hat. Und das geht jetzt an die drei Jahre.«
»Haben Sie vielen Dank, Charles.«
Wieder in der Wohnung, sagte er: »Sylvia, was mich betrifft, ist Ihr Alibi bestätigt. Und das schreibe ich auch in meinen Bericht.«
Er hatte geglaubt, dass sie das freuen würde, statt dessen sah sie aus, als wolle sie gleich in Tränen ausbrechen.
»Heißt das… wir sehen uns nicht mehr?«
»Das heißt es ganz gewiss nicht«
Und dabei streichelte er zart ihre Schulter.
»Gott sei Dank. Und jetzt wollen wir es noch mal mit dem Ouija-Brett versuchen, Brian. Vielleicht kann es und doch helfen.«
»Gut, versuchen wir es.«
Sie stellten das Brett zwischen sich auf das Tischchen. Sylvia schloss die Augen und berührte es leicht mit den Fingerspitzen, und Estrella sagte mit hohler Stimme:
»Doktor Ellerbee, wer hat Sie umgebracht? War Ihr Mörder ein Fremder?«
Das Brett rührte sich nicht. Estrella wiederholte seine Frage.
Die Planchette geriet in wilde Bewegung und buchstabierte ›kgxftd‹.
Estrella versuchte es ein weiteres Mal: »Doktor Ellerbee, war der Mörder Ihnen unbekannt?«
Diesmal bewegte die Planchette sich sehr langsam, zeigte erst auf das n, dann auf i. Dann nichts mehr: ›ni‹.
»Ich glaube, so wird es nichts, Sylvia«, sagte er. »Wir haben als Antwort ›ni‹ bekommen.«
Die schlug die Lider auf. »Kann sein, er kommt heute Nacht nicht zu mir
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