Die vierte Todsuende
Jahre alt. Diente in Vietnam und wurde hoch dekoriert. Harold leidet unter schweren Schuldkomplexen, nicht nur, weil er im Krieg zahllose Menschen getötet hat, sondern weil er lebendig zurückkam, während viele seiner Freunde gefallen sind. Diese Schuldgefühle treiben ihn dazu, in Kneipen Schlägereien mit Fremden anzufangen, von denen er behauptet, sie hätten ihn beleidigt.
Das wäre alles. Auf den beiden Listen finden Sie weitere Details. Haben Sie noch Fragen?«
Delaney und Boone schauten einander an.
»Eine vielleicht, Mrs. Ellerbee«, sagte Delaney, »können Sie uns sagen, ob von diesen Patienten welche mit Medikamenten behandelt wurden?«
»Keiner«, sagte sie sofort, »mein Mann hat keinen seiner Patienten jemals mit Psychopharmaka behandelt, denn er hielt das für falsch. Er war der Meinung, solche Medikamente überdeckten nur die Symptome, ohne die Ursachen zu beseitigen. Ich bin, nebenbei gesagt, der gleichen Meinung, wenn ich sie auch nicht so rigoros vertrete, wie mein Mann es getan hat. Ich verschreibe meinen Patienten gelegentlich etwas, vorausgesetzt, ihr Allgemeinzustand erlaubt es.«
»Sind Sie denn berechtigt, Medikamente zu verschreiben?« fragte Delaney.
Sie blickte ihn herausfordernd an. »Nein. Aber mein Mann war es.«
Boone warf hastig ein: »Was aber wohl nicht ausschließt, dass Patienten Ihres Mannes sich auf eigene Faust Drogen beschafft und sie auch benutzt haben könnten?«
»Das ist durchaus möglich«, versetzte Mrs. Ellerbee in ihrem bestimmten Ton, »das gilt aber für alle und jeden. Nun, wer von Ihnen nimmt diese Liste an sich?«
»Sie haben nur dieses eine Exemplar, Madam?« fragte Delaney sanft.
»Das ist richtig. Einen Durchschlag davon besitze ich nicht.«
»Haben Sie vielleicht ein Kopiergerät in der Praxis? Zwei Exemplare zu haben, wäre für uns von Nutzen.«
»In der Praxis meines Mannes steht eines. Ich mache rasch eine Kopie.« Sie stand auf.
»Wenn es Ihnen recht Ist, kommen wir gleich mit.« Die beiden Männer erhoben sich.
»Falls Sie um meine Sicherheit besorgt sind, so ist das überflüssig. Ich wohne hier seit Simons Tod, und wenn auch tagsüber andere Menschen im Hause sind, bin ich doch des Nachts allein. Ich fürchte mich nicht, ich erlaube mir nicht, Angst zu haben. Ich bin hier schließlich und endlich zu Hause!«
»Falls Sie es gestatten, möchten wir doch gern mitkommen«, insistierte Delaney, »wir hätten dann Gelegenheit, den Tatort zu sehen.«
»Wie Sie wünschen«, fügte sie sich tonlos.
Sie zog ein Schlüsselbund aus der Schreibtischlade ab und ging voran in die Diele, schloss die Tür zur Praxis ihres Mannes auf und machte das Licht an. Im Vorzimmer sah man die blanken Dielen.
»Ich habe den Teppich beseitigen lassen. Er war voller Blutflecken. Man hätte ihn reinigen können, doch das wollte ich nicht.«
»Haben Sie sich schon überlegt, was Sie mit den unbenutzten Räumen anfangen wollen, Madam?« fragte Boone.
»Nein, das habe ich nicht«, entgegnete sie knapp.
Dann trat sie an das in einer Ecke stehende Kopiergerät und knipste es an. Während die Liste kopiert wurde, sahen die Detektive sich um. Nur gab es kaum etwas zu sehen. Der Grundriss des Vorzimmers entsprach dem des darunter gelegenen, möbliert war es mit einem Tisch, Stühlen und einem Aktenschrank aus Stahl. Nichts deutete darauf hin, dass hier eine Bluttat verübt worden war.
Mrs. Ellerbee reichte jedem die zweiseitige Liste und sagte dabei streng:
»Ich möchte nicht, dass dies in unbefugte Hände gerät.«
»Sie dürfen beruhigt sein«, versicherte Delaney und fuhr fort: »Haben Sie etwas dagegen, dass wir uns auch das Sprechzimmer Ihres Mannes ansehen?«
»Wozu?«
»Das ist das Übliche. Wir möchten über Ihren Mann so viel als möglich wissen, und die Wohnung wie auch der Arbeitsplatz eines Menschen geben manchmal Hinweise darauf, was für eine Art Person er gewesen ist.«
Sie zuckte nur die Achseln — augenscheinlich glaubte sie ihm kein Wort, aber ebenso augenscheinlich war es ihr einerlei.
»Bitte, bedienen Sie sich.«
Und sie wies auf die Tür.
Während die Männer eintraten, setzte sie sich an den Schreibtisch im Vorzimmer. Boone knipste das Deckenlicht an. Ein strenger Raum, fast kahl. Weiße Wände ohne jede Dekoration. Nirgends ein Kunstgegenstand, überhaupt nichts Persönliches. Dieses Zimmer definierte sich durch das, was nicht darin war. Sogar das schwarze Ledersofa wirkte steril wie das Untersuchungsbett in einem Spital.
»Kalt«,
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