Die vierte Todsuende
ein großer Ball. Er wurde da auch wirklich gesehen, aber das Gedränge war so groß, dass er ohne weiteres hätte verschwinden können, Ellerbee ermorden, und wieder zurückkommen können. Keiner hätte was gemerkt. Na ja, man kriegt die Lösung eben nie auf dem Tablett präsentiert.«
»Fast nie«, pflichtete Delaney ihm bei. »Irgendwo bleiben meist lose Enden. In der Kriegsmarine nennt man so etwas irische Wimpel. Und genauso ist es in unserem Fall, lauter irische Wimpel.«
Symington bewohnte in einem eigenen Stadthaus die beiden unteren Stockwerke. Das Mansardendach war mit Kupfer beschlagen und hatte Grünspan angesetzt. Über der Haustüre baumelte eine Laterne, offenbar von Tiffany.
»Das stinkt ja nach Geld«, stellte Delaney fest. »Wahrscheinlich geht die Wohnung durch zwei Stockwerke.«
Er hatte recht. Auf den blinkenden Messingschildern an den Türen standen nur fünf Namen. L. Vincent Symington in altmodischer Schrift gegenüber der dritten Klingel. Boone drückte den Knopf und beugte sich zum Mikrofon der Gegensprechanlage hinunter.
»Wer ist da?« flötete eine Stimme.
»Sergeant Boone. Kriminalpolizei. Spreche ich mit Mr. Symington?«
»Ja.«
»Haben Sie ein paar Minuten Zeit für uns, Sir?«
»Von welchem Revier kommen Sie?«
»Manhattan Nord.«
»Warten Sie bitte einen Moment.«
»Vorsichtiger Bursche. Erkundigt sich erst mal beim Revier, ob es mich wirklich gibt«, sagte Boone leise.
Delaney zuckte nur die Achseln. »Sein gutes Recht.«
Es vergingen fast drei Minuten, bevor der Summer die Tür freigab. Sie traten ein und kletterten teppichbelegte Stufen hinauf. Der Mann, der sie im zweiten Stock erwartete, mochte zwar misstrauisch genug sein, das Revier anzurufen, aber Boones Dienstausweis zu sehen, fand er überflüssig.
»Es handelt sich wohl um Ellerbee«, sagte er und ging voran in die Wohnung. Er wirkte etwas nervös und blieb gleich an der Tür stehen. »Ich habe schon eine Aussage dazu gemacht.«
»Das wissen wir, Sir, nur sind da noch einige Fragen offen.«
Symington seufzte und sagte schmollend: »Na ja, wenn es denn sein muss … ich hoffe nur, dass die Fragerei damit ein Ende hat.«
»Dafür kann leider niemand garantieren«, entgegnete Boone.
Die Wohnung war sorgfältig dekoriert und wirkte so bewohnt und gemütlich wie der Ausstellungsraum eines Möbelgeschäftes. Alles stimmte hier: die Farben, die staubfreien, blinkenden Oberflächen des Mobiliars. In den Aschenbechern keine Stummel, auf den Samtpolstern keine Flecke. Überhaupt keine Anzeichen dafür, dass hier Menschen lebten.
»Ein wunderschöner Raum«, sagte Delaney zu Symington.
»Ach, finden Sie wirklich? Das höre ich gern. Alle meine Besucher glauben, ich hätte einen Innenarchitekten beschäftigt, aber alles und jedes habe ich selbst ausgesucht und arrangiert. Ich wusste genau, was mir vorschwebte, aber es hat eine Ewigkeit gedauert, das alles aufzutreiben.«
»Ein richtiges Kunstwerk«, trug Boone noch dicker auf, »übrigens, mein Name ist Boone, und das hier ist Mr. Delaney.«
»Es ist mir ein wirkliches Vergnügen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht die Hand gebe, aber darin bin ich leider etwas eigen.«
Er nahm ihnen mit spitzen Fingern Mäntel und Hüte ab, als fürchte er eine ansteckende Krankheit, gleichzeitig wies er sie zu modernen, mit Leder bespannten stählernen Sitzmöbeln.
Er selbst lehnte malerisch an der eichenen Kamineinfassung.
Angetan war er mit einem kirschroten, samtenen Springeranzug, der seinen Bauch durchaus nicht verbarg. Auf der Brust hing ihm ein goldenes Medaillon, und wenn er gestikulierte, klirrte ein schweres goldenes Armband am rechten Handgelenk. Seine Füße waren bloß.
»Nun denn«, begann er mit einem etwas trillernden, sinnlosen Lachen, »ich nehme an, Sie wissen schon alles über mich?«
»Wie bitte?« fragte Boone verständnislos.
»Ich will sagen, Sie haben gewiss in Ellerbees Krankengeschichten geblättert und kennen alle meine schmutzigen kleinen Geheimnisse.«
Delaney mimte den Entrüsteten. »Wo denken Sie hin, Mr. Symington. Nichts dergleichen. Außer Ihrem Namen und Ihrer Adresse wissen wir so gut wie nichts!«
»Nun, das zu glauben, fällt mit schwer. Sie haben da doch Möglichkeiten … Doch habe ich nichts zu verbergen. Seit sechs Jahren habe ich Doktor Ellerbee regelmäßig dreimal in der Woche aufgesucht. Wäre er nicht gewesen, ich wäre jetzt mit Sicherheit ein tobender Irrer. Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich
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