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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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niedergeschmettert. Einfach niedergeschmettert.«
    Der Portier in Miss Othertons Appartementhaus hatte sich ebenso ausgedrückt, fiel Delaney ein, niedergeschmettert sei sie gewesen, absolut niedergeschmettert. Aber wohl doch nicht ganz so, wie Doktor Ellerbee selber…
    Boone fuhr unterdessen fort: »War Ihre Beziehung zu Doktor Ellerbee freundlicher Natur?«
    »Freundlich?« Symington verzog theatralisch das Gesicht. »Lieber Himmel! Keinesfalls. Man kann zu seinem Inquisitor keine freundliche Beziehung haben. Er hat mich gequält. Immer wieder. Ich musste Dingen ins Auge sehen, die ich mein Lebtag vor mir verborgen gehalten hatte. Das war sehr schmerzhaft.«
    »Ich möchte hier ganz klarsehen, Mr. Symington«, ließ Delaney sich vernehmen. »Könnte man sagen, Sie beide hätten eine Art… eine Art Duell ausgefochten?«
    Symington bedachte sich ein Weilchen.
    »Ja, das kommt dem schon recht nahe. Jedenfalls ist es alles andere als ein Spaß. Ja, man könnte es wirklich ein Duell nennen.«
    Boone fiel rasch ein: »Haben Sie den Doktor jemals tätlich angegriffen?«
    Das goldene Armband klirrte bedeutend, als Symington mit einer großen Gebärde abwehrte: »Niemals! Ich habe ihn nie angerührt, obschon der Himmel weiß, dass ich mehr als einmal versucht war, es zu tun. Sie müssen sich klarmachen, dass die meisten Patienten zu ihrem Analytiker eine Hassliebe entwickeln. Will sagen, mit dem Verstand begreift man wohl, dass dieser Mensch einem helfen will, aber dabei verletzt er dauernd die Gefühle seines Patienten. Da meint man manchmal, er tut es mit Absicht, und das führt zu Hass. Man misstraut ihm. Man mutmaßt, er könne unsachliche Motive haben, die ihn bewegen, einen zu etwas zu nötigen. Er könnte einen ja gegebenenfalls auch erpressen, nicht?«
    »Haben Sie wirklich geglaubt, Doktor Ellerbee wäre imstande, Sie zu erpressen?«
    »Manchmal schon.« Symington zappelte nervös herum. »Überrascht hätte es mich jedenfalls nicht. Die Leute sind ja so gemein. Man vertraut ihnen, man liebt sie geradezu, und dann kehren sie einem den Rücken und …, Geschichten könnte ich Ihnen erzählen, ganze Ro…«
    »Und doch haben Sie es sechs Jahre bei ihm ausgehalten?«
    »Selbstverständlich. Ich brauchte ihn doch. Ich war echt abhängig von ihm. Und das verstärkte meinen Widerwillen noch. Aber umbringen? Ist es das, woran Sie denken? Das hätte ich nicht getan. Ich liebte ihn geradezu. Wir standen uns sehr nahe. Er wusste so viel von mir.«
    »Haben Sie andere von seinen Patienten gekannt?«
    »Ich wusste von manchen, die zu ihm gingen. Freunde waren das nicht, sagen wir flüchtige Bekanntschaften. Auf Parties stellt sich so was leicht raus. Da heißt es, ›ich gehe zu Doktor Soundso, sind Sie auch in der Analyse?‹«
    »Haben Sie je davon gehört, dass er von anderen Patienten bedroht worden ist?«
    »Nein. Er selber hätte das auch mir gegenüber nie erkühnt.«
    »Ist Ihnen an Doktor Ellerbee eine Veränderung aufgefallen«, fragte Delaney, »sagen wir im letzten halben Jahr oder so?«
    Symington antwortete nicht sogleich. Er ging zu der dreiteiligen Couch, die den Sesseln gegenüberstand, streckte sich aus, stopfte ein Kissen in rohseidenem Bezug unter den Kopf und starrte seine Besucher an.
    Sein Teint sah teigig aus, die Augen darin wie Rosinen. Die Lippen waren voll und auffallend rot. Er hatte schon viel Haar verloren, und auf der Kopfhaut zeigten sich braune Altersflecke. Delaney kam er vor wie eine gealterte Stoffpuppe, und er stellte sich Symingtons Extremitäten wie Würste vor, prall, aber ohne Knochen.
    »Ich habe ihn geliebt«, sagte er jetzt dumpf, »richtig geliebt. Er war nie… wie eine Christusfigur. Nichts konnte ihn schockieren, er vergab alles. Einmal, das ist Jahre her, bin ich außer mir geraten und habe meine Eltern bestraft. Ich habe ihnen dabei wirklich weh getan. Ellerbee brachte mich dahin zu begreifen, was ich angerichtet hatte. Aber verurteilt hat er mich deshalb nicht. Das tat er nie. O Gott, was soll nun aus mir werden?«
    Delaney ermahnte ihn streng: »Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet. Haben Sie in letzter Zeit eine Veränderung an ihm bemerkt?«
    »Nein. Keine Veränderung.«
    Ganz plötzlich begann Symington zu weinen. Tränen rannen über die dicklichen Wangen und tropften auf das kostbare Kissen. Das ging so einige Minuten lang.
    Delaney sah Boone an, und beide standen auf.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, Mr. Symington«, sagte Delaney, und auch Boone

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