Die vierte Todsuende
jüngster Zeit in seinem Betragen irgendwie verändert war?«
»Nein. Überhaupt nicht. Er war immer der gleiche.«
»Was heißt ›der gleichet« fragte Jason. »Was für eine Sorte Mensch war er denn?«
»Ruhig, distanziert, gesammelt. Hat sich niemals erregt. Nie gebrüllt. Tadelloses Benehmen. Einmal habe ich ihn angeschrien und beschimpft, er hat es mir aber nicht verübelt.«
»Weshalb taten Sie das?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Was hatten Sie an, als Sie heute in die Stadt gingen?« fragte Boone.
»Was ich anhatte?« Bellsey war perplex. »Einen gefütterten Regenmantel. Dazu einen Regenhut.
»Stiefel? Überschuhe?«
»Ja, Überschuhe aus Gummi.«
»Sie sind bei einer Fleischgroßhandlung angestellt?« fragte Delaney.
»Stimmt genau.«
»Und was machen Sie da? Schneiden Sie Salami in Scheiben?«
»Na, hören Sie mal. Ich bin der Geschäftsführer!«
»Ihnen unterstehen also die Fleischer, die Fahrer, die Verladearbeiter — so etwa?«
»Ja.«
»Da haben Sie es mit ziemlich haarigen Burschen zu tun.«
»Die halten sich bloß dafür«, versetzte Bellsey grimmig. »Aber entweder spuren sie, oder sie fliegen.«
»Haben Sie je geboxt?« fragte Jason.
»Als ich bei der Marine gedient habe. Mittelgewicht.«
»Aber nie professionell?«
»Nein.«
»Sind Sie gut in Form?«
»Das dürfen Sie laut sagen«, prahlte Bellsey. »Zweimal die Woche Dauerlauf, fünf Meilen. Gewichtheben. Einmal die Woche trainiere ich in einer Turnhalle an den Geräten. Aber, was hat das alles mit Ellerbee zu tun. Himmelhergottnochmal?«
»Es sind ja bloß Fragen«, sagte Jason liebenswürdig.
»Sie stehlen mir meine Zeit. Sonst noch was?«
»Ich glaube, das war alles. Bis auf weiteres. Genießen Sie Ihr Abendessen, Mr. Bellsey«
Weil auch andere Leute im Fahrstuhl mit herunterfuhren, sprachen sie nicht miteinander. Aber kaum waren sie in Jasons Wagen, sagte Boone:
»Was für ein Herzchen! Wie sind Sie gerade aufs Boxen gekommen, Jason?«
»Er sieht aus wie ein Boxer. Seine Beinstellung. Die Art, wie er sich bewegt.«
»Wir müssen uns den Kofferraum von seinem Cadillac ansehen. Vergesst nicht den Treibhammer«, mahnte Delaney. »Und die Frau nehmen wir uns mal vor, wenn er nicht da ist.«
»Könnte er der Täter sein?« fragte Boone.
»Bislang ist er unser bester Kandidat«, meinte Delaney »Polizeibekannter Gewalttäter, jähzornig, neigt zu Schlägereien, ein ausgesprochener Streithahn. Den müssen wir uns wohl sehr viel genauer ansehen.
Als Delaney abends die Protokolle der Befragung von Symington und Bellsey niederschreiben wollte, hinderte ihn seine Frau daran. Sie hatte die Weihnachtskarten besorgt und verdonnerte ihn dazu, Adressen zu schreiben. Er gehorchte.
»Sie selber fügte jedem vorgedruckten Glückwunsch einige persönliche Worte an und saß dabei an seinem Schreibtisch. Nachdem er mit den Adressen fertig war, setzte er sich mit einem Cognac in den Sessel und berichtete über seine Besuche bei Symington und Bellsey.
»Der war's«, sagte sie entschieden. »Dieser Bellsey ist der Täter.«
Delaney lachte leise. »Wie kommst du darauf?«
»Na, der klingt wie ein richtiger Widerling.«
»Na ja, ein Widerling ist er schon, aber deshalb doch nicht unbedingt ein Mörder.«
Sie wandte sich wieder ihren Weihnachtskarten zu. Ein schmaler Lichtstrahl von der Arbeitslampe war die einzige Beleuchtung, und Delaney saß fast im Dunkeln, von wo aus er liebevoll und dankbar die Frau betrachtete, die ihm das Leben so schön machte.
Er sah, wie sie beim Schreiben die Lippen zusammenpresste, sah den Glanz in ihren dunklen Augen. Das dichte schwarze Haar wurde im Nacken von einer goldenen Spange gehalten. Ein starkes Gesicht, eine starke Frau. Er stellte sich vor, wie sein Leben wohl aussähe, säße er allein in diesem düsteren Zimmer, müsse er auf ihre wärmende Anwesenheit verzichten; er ächzte unwillkürlich.
»Woran denkst du gerade?« fragte sie, ohne aufzublicken, Er sagte es nicht, sondern fragte: »Hast du je ein Puzzle zusammengesetzt?«
»Als Kind schon.«
»Ich auch. Zuerst kippt man die einzelnen Teile aus der Schachtel auf die Tischplatte und hofft dabei, dass sie vollständig da sind. Dann dreht man die einzelnen Stücke mit der Bildseite nach oben und sucht die vier mit den rechtwinkligen Ecken. Danach setzt man aus den Teilen, die gerade Kanten haben, den Rahmen zusammen. Erst danach kann man das Bild nach und nach ausfüllen.«
»Heißt das der Fall Ellerbee als Puzzle?«
»So
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