Die vierte Todsuende
Sergeant, erzählen Sie Jason doch von den Patienten, die wir bislang befragt haben.«
Als Boone damit fertig war, lautete der Kommentar von Jason:
»Puh, das klingt ja ganz so, als ginge bei diesen Leuten der Fahrstuhl nur bis zur halben Höhe.«
»Etwas meschugge sind sie schon«, gab Delaney zu. »Manchmal ist es ganz vernünftig, was sie sagen, dann wieder ist man total perplex. Wir jedenfalls müssen unterscheiden lernen zwischen dem, was der Realität entspricht, und dem, was eindeutig in ihre Traumwelt gehört. Zu diesem Zweck müssen wir uns ihr ganzes Gelaber ruhig anhören und hinterher probieren, dem allen einen Sinn abzugewinnen. Ich muss den neuen Leuten, die am Montag kommen, das unbedingt einschärfen.«
»Wie wollen Sie sie eigentlich einteilen, Sir?« fragte Boone. »Soll jeder von ihnen einen der Patienten übernehmen?«
»Das war mein ursprünglicher Gedanke, und wenn wir es mit gewöhnlichen Ganoven zu tun hätten, ginge es so auch. Diese Leute aber sind intelligent und gebildet, auch wenn es bei ihnen im Kopf gelegentlich rappelt. Ich glaube, wir bekommen bessere Ergebnisse, wenn jeder Detektiv drei oder vier von ihnen befragt und sich dann denjenigen auswählt, mit dem er am besten zurechtkommt. Sie kennen das ja von Zeugenvernehmungen: Manchen unserer Leute gegenüber redet ein Zeuge, anderen gegenüber sagt er kein Wort. Eine Frage der spontanen Sympathie oder Antipathie. Also werden wir versuchen, Detektive und Patienten so aufzuteilen, dass wir optimale Ergebnisse bekommen.«
Sie besprachen, wie das praktisch zu machen wäre, möglichst unter Vermeidung von Doppelarbeit, ausgenommen natürlich Fälle, in denen eine Zweitüberprüfung geboten sein mochte.
Delaney entschied, dass Boone und Jason je drei der neuen Leute ›anlernen‹ und Delaney täglich über die Arbeit ihrer ›Anlernlinge‹ unterrichten sollten.
»Anfangs wird ein gewisses Maß an Konfusion unvermeidbar sein«, sagte er, »bemühen Sie sich, die Arbeit optimal zu koordinieren. Ich verfasse selber die Protokolle, in die Sie jederzeit Einblick nehmen können. Bestehen Sie darauf, dass Ihre Leute alles und jedes notieren, egal, wie blödsinnig es ihnen vorkommt. Und bevor wir überhaupt jetzt noch was anderes machen, möchte ich unsere sechs Patienten durch den Zentralcomputer laufen lassen. Sind sie wirklich so gewalttätig, wie Mrs. Ellerbee zu glauben scheint, müssten wir da Informationen über sie finden.«
Es wurde noch ein Weilchen hin und her geredet, dann blickte Delaney auf die altmodische Wanduhr, die aus einem abgerissenen Bahnhofsgebäude stammte.
»Es wird allmählich spät, warum versuchen wir drei, es nicht noch einmal bei Bellsey - ein kleiner Überraschungsbesuch. Der müsste doch längst wieder zu Hause sein. Wir nehmen Ihren Wagen, Jason, und hinterher setzen Sie uns wieder hier ab.«
Unterwegs fiel Delaney ein, dass er Jason fragen sollte, ob er Lust habe, Thanksgiving mit seiner Frau zum Essen zu kommen.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir, aber wir sind schon bei meinen Schwiegereltern gebucht. Es soll ein großer Festschmaus werden, und die Kinder und auch die alten Leutchen würden mich in der Luft zerreißen, wenn ich jetzt alles umschmeiße.«
»Sehr verständlich, Jason. Wir machen das ein andermal. Ihre Jungen sollten so oft wie möglich mit den Großeltern Zusammensein. Ich wollte, ich sähe meine Enkel öfter.«
Sie parkten in der zweiten Reihe vor dem Appartementhaus, in dem Bellsey wohnte, Boone zeigte dem Türsteher seine Dienstmarke und bat ihn, ein Auge auf den Wagen zu haben. Ein Haustelefon gab es hier nicht, sie mussten die Gegensprechanlage benutzen und sich so aufstellen, dass sie von einer Fernsehkamera aufgenommen werden konnten, die das Bild auf einem Schirm in Bellseys Wohnung erscheinen ließ.
»Gar nicht dumm das«, bemerkte Delaney.
»Zum ersten Mal, dass ich im Fernsehen auftrete«, scherzte Jason. »Vielleicht führe ich gleich einen Stepptanz vor?«
Boone sprach gedämpft ins Mikrofon und hielt seinen Dienstausweis vor die Linse der Kamera. »Appartement 2407«, meldete er dann, »wir sollen heraufkommen. Aber sehr einladend klang es nicht.«
Im Fahrstuhl ermahnte Delaney den großen Schwarzen: »Fürchten Sie nicht, uns zu unterbrechen, wenn wir Bellsey befragen und Ihnen was einfällt. Je mehr Fragen, desto größer die Wirkung.«
Die Tür zum Appartement 2407 wurde von einem untersetzten, rotgesichtigen Mann aufgerissen, der eine großkarierte
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