Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
ungefähr.«
    »Und ahnst du schon, was das Bild darstellen wird?«
    »Nein. Aber ein paar gerade Kanten, die sehe ich schon.«

13
    Für Harold Gerber war Sonntag der schönste Tag der Woche. Er brauchte weder andere Menschen zu sehen, noch mit ihnen zu sprechen. Sie Sunday Times kaufte er bereits in der Nacht zum Sonntag, dazu mehrere Sechserpackungen Bier. Mit der Zeitung, dem Bier und zwei Fußballübertragungen im Fernsehen war der Tag perfekt. Gerber setzte am Sonntag keinen Fuß vor die Tür.
    In Vietnam hatte er viel von seinem Gewicht eingebüßt und seither nicht mehr zugenommen. Er hatte dort überhaupt alles Mögliche eingebüßt, nicht nur seinen Appetit. Sein Sonntagsfrühstück bestand aus Saft, einem Stück Toast und zwei Tassen Kaffee mit Sahne und Zucker. Das reichte bis zum Abend. Dann wärmte er irgendeine Tiefkühlmahlzeit auf, die in Pappe verpackt verkauft wurde und auch so schmeckte.
    Sonntags nahm er — warum, wusste er selber nicht -auch nie die Fotos zur Hand, um sie zu betrachten. All diese Gesichter — grinsend, wütend, grimassierend blickten sie in die Kamera —, die meisten mit Namenszug, geradeso wie Gerber seinen Namen auf Bilder gesetzt hatte, die andere von ihm machten. Ein Fotoalbum…, das nährte seinen Zorn.
    Weil er selber seine Gefühle nicht verstand, konnte Gerber es anderen nicht verdenken, dass sie ihn nicht verstanden, ihn nicht und nicht, was er tat. Gerber kam einfach nicht dahinter, und andere ebenfalls nicht.
    Ellerbee war auf dem richtigen Weg gewesen, nahe daran, die Gründe aufzudecken, aber jetzt war Ellerbee tot, und Gerber dachte nicht daran, es mit einem anderen Therapeuten zu versuchen. Bevor er auf Ellerbee stieß, hatte er es bei zwei anderen probiert, doch die erwiesen sich als blanke Nieten, und Gerber wusste bereits nach wenigen Sitzungen, dass sie ihm nicht helfen konnten.
    Mit Ellerbee war das was anderes gewesen. Der redete keinen Schmus, der nahm Gerber auseinander und setzte ihn neu zusammen. Aber nun hatte er sich hinmachen lassen, und Gerber blieb mit seinen Gespenstern allein.
    An Geld fehlte es ihm nicht, zum ersten unterstützten ihn seine Eltern regelmäßig, zum zweiten bekam er eine Invalidenrente. Was ihm fehlte, war die Beziehung zum Leben, und er fragte sich oft, ob er dazu verdammt sei, als lebender Leichnam die nächsten fünfzig Jahre umherzugeistern, sich zu betragen wie ein verdammter Irrer, und im Grunde seines Herzens den Moment herbeizusehnen, da die ganze verfluchte Welt in die Luft gesprengt wurde — je eher, desto besser.
    Auf dem Weg zu Gerbers Bude in Greenwich Village am Sonntagvormittag sagte Delaney zu Boone: »Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich Sie am Wochenende missbrauche. Ihre Frau hält mich wahrscheinlich für einen elenden Sklaventreiber.«
    »Ach wo, Sir, die ist daran gewöhnt, dass ich eine unregelmäßige Arbeitszeit habe, das sind wohl alle Frauen, die mit Leuten wie uns verheiratet sind.«
    »Jason wollte ebenfalls mit von der Partie sein, aber Sonntag ist der einzige Tag, an dem er mal länger mit seinen Jungen Zusammensein kann, und das ist wichtig. Also habe ich ihm befohlen, daheim zu bleiben. Sobald wir die neuen Leute haben, können wir uns auf angemessene Arbeitsstunden beschränken. Haben Sie über diesen Gerber schon was in Erfahrung gebracht?«
    »Bloß was Suarez' Leute schon wussten. Und was die Ellerbee in ihre Notizen geschrieben hat. 37 Jahre, ehemals in Vietnam, hochdekoriert und jede Menge Probleme. Gerät immer wieder in Schlägereien.«
    »Was denn - noch ein Bellsey?«
    »Das nun nicht. Gerber greift gelegentlich völlig Fremde ohne ersichtlichen Grund an. Einmal hat er eine Schaufensterscheibe eingeschlagen und musste auf der Unfallstation zusammengeflickt werden.«
    »Wie schön. Ein zorniger junger Mann also.«
    »So was ähnliches«, pflichtete Boone bei.
    Gerber wohnte in einer verkommenen Mietskaserne in der 7. Avenue nahe der Einmündung der Carmine Street. Im Erdgeschoß und im ersten Stock waren die Fenster verbrettert, und die Vortreppe lag voller Abfälle. Das Fassade des fünfstöckigen Gebäudes bröckelte, und was an bemalbarer Fläche erhalten war, wies jede Menge Graffiti auf. Beim Betrachten dieser Ruine dachten Delaney und Boone das gleiche: Wie kann jemand, der so wohnt, sich einen Seelenakrobaten wie Ellerbee leisten?
    »Könnte sein, er zahlt keine Miete«, überlegte Delaney. »Sehen Sie den unbebauten Platz nebenan? Irgend so ein Spitzbube von

Weitere Kostenlose Bücher