Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Namen der Patienten kaum je erwähnt. Das war ja auch überflüssig.«
    Delaney saß ein Weilchen schweigend und auch niedergeschlagen da. So wie Carol Judd das erklärte, war an dem mysteriösen späten Patienten überhaupt nichts mysteriös, es war die reine Routine gewesen.
    »Sie können sich auch nicht denken, wer dieser späte Patient am Freitag gewesen sein könnte.«
    »Nein. Da müsste ich lügen.«
    »Nun, wer immer das auch gewesen sein mag«, sagte er, in dem Bemühen, doch irgendetwas Brauchbares aus den vorangegangenen Befragungen der Patienten zu retten, »er - oder sie — hat jedenfalls Doktor Ellerbee als letzter lebend gesehen. Und war womöglich der Täter. Angenommen einmal, dieser Patient kam um sieben und ging um acht. Wäre…«
    »Um Viertel vor acht«, korrigierte sie ihn. »Die Stunde für den Patienten dauert nur 45 Minuten.«
    »Was hat der Doktor in den übrigen 15 Minuten jeweils gemacht?«
    »Er hat sich erholt. Hat telefoniert. Hat die Krankengeschichte des nächsten Patienten überflogen. Vielleicht einen Kaffee getrunken.«
    »Gut. Nehmen wir also an, dieser letzte Patient kam um sieben und ging um Viertel vor acht. Könnte Doktor Ellerbee im Laufe des Abends noch von einem weiteren Patienten angerufen worden sein, der ebenfalls um einen Termin gebeten hat?«
    »Aber ja, durchaus. So was kam oft genug vor.«
    Damit stand Delaney wieder vor dem Nichts.
    »Ich danke Ihnen sehr, Miss Judd«, sagte er und rappelte sich mit Mühe aus seinem Sitzgerät empor. »Sie waren sehr hilfsbereit.« Und dabei setzte er den Hut auf.
    Sie erhob sich wieder ohne Hilfe der Hände vom Fußboden, sie schwebte gleichsam in die Höhe, ohne Anstrengung, wie es schien.
    »Ich hoffe von Herzen, sie finden den Täter«, sagte sie plötzlich ernst und, wie es schien, auch etwas rachsüchtig. »In solchen Fällen wünschte ich, wir hätten die Todesstrafe. Doktor Ellerbee war ein wirklich liebenswerter, ein grundgütiger Mensch, und so wie er dürfte niemand sterben müssen. Zwei Tage und Nächte habe ich geheult, als es passiert war, und ich kann auch jetzt noch nicht glauben, dass er nicht mehr da ist.«
    Delaney nickte wortlos und wandte sich der Tür zu. Doch hielt er noch mal an.
    »Noch eines. Hat er Ihnen gegenüber je erwähnt, dass er von einem Patienten bedroht oder tätlich angegriffen worden ist?« ,
    »Nein, nicht das ich wüsste.«
    »Und haben Sie vielleicht im letzten Jahr oder im letzten halben Jahr bemerkt, dass irgendeine wie immer geartete Veränderung mit ihm vorgegangen ist?«
    Sie starrte ihn an. »Ulkig, dass Sie das fragen. Ja, er hat sich verändert im letzten Jahr. Ich habe das sogar meinem Freund erzählt. Er war nicht mehr so ausgeglichen. Man merkte ihm seine Stimmungen an. Vorher war er immer freundlich zu allen, immer ausgeglichen. Seit ungefähr einem Jahr hatte sich das geändert. An manchen Tagen war er geradezu übermütig, er lachte, machte witzige Bemerkungen. Dann wieder war er ganz gedrückt. Verschlossen. Er machte den Eindruck, als trüge er die Last der ganzen Welt auf den Schultern.«
    »Aha.«
    »Vor einem Monat etwa kam er mal mit einer Blume im Knopfloch. Das war das erste und einzige Mal. Und er wirkte verträumt.«
    »Ich danke Ihnen noch einmal ganz aufrichtig, Miss Judd.« Delaney lüftete den Hut zum Abschied.
    Das Wetter war umgeschlagen. Tiefe Wolken trieben über Manhattan, der Wind war recht unangenehm, der Himmel strahlte nicht mehr, sondern wirkte bedrohlich. Das passte genau zu seiner Stimmung.
    Er ärgerte sich über sich selbst, denn er hatte versucht, die Tatsachen seiner Theorie anzupassen, statt umgekehrt eine Theorie zu suchen, in der sich alle Tatsachen unterbringen ließen. An dieser Versuchung waren vor ihm schon unzählige Detektive gescheitert. Verführt worden war er dazu durch die beiden unterschiedlichen Fußabdrücke auf Ellerbees Teppichen, dadurch und durch die verflixte Lücke von drei Stunden in Ellerbees Tagesablauf. Beides deutete auf zwei späte Patienten hin, das war auch durchaus möglich, aber, was er da eben erfahren hatte, gab nicht den geringsten Anhaltspunkt, der ihn in seiner Annahme bestärken konnte.
    Trotzdem war es erforderlich herauszubekommen, wer dieser späte Besucher gewesen war. Oder auch die Besucher. Einer davon war der letzte, der Ellerbee lebend gesehen hatte und der am dringendsten der Tat Verdächtige.
    Während er schweren Schrittes die Straße entlang stapfte, erinnerte er sich, dass er zu seiner Frau von

Weitere Kostenlose Bücher