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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Polizeibehörde ist so was wie eine Stierkampfarena. Wer auch nur einen Moment unachtsam ist, wird aufgespießt. Aber sag mal, vorhin, als ich von unseren Ermittlungen sprach, hattest du da den Eindruck, dass irgendwas verkehrt war? Dass wir vielleicht was übersehen haben?«
    »Nein«, sagte sie nachdenklich, »eigentlich nicht. Es klang alles recht kompliziert, Edward. Diese vielen Leute …«
    »Es ist leider wirklich so kompliziert.« Er rieb seine Stirn. »Bei jeder Ermittlung wird man anfangs mit Details zugedeckt, mit Tatsachen, Gerüchten, Vermutungen. Hat man Glück, ergeben die nach einer Weile ein verständliches Muster, und man weiß dann schon so ungefähr, wie sich alles abgespielt hat. In diesem Fall aber, das muss ich zugeben, bin ich noch total ratlos. Ich versuche System in die Ermittlungen zu bringen, ich lege Akten an, schreibe Protokolle, und doch rinnt mir alles durch die Finger. Ich stehe davor, und es kann gut sein, dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Vielleicht werde ich doch allmählich alt.«
    »Du wirst nicht nur älter, Edward«, sagte sie, »du wirst auch immer besser.«
    »Das kannst du gar nicht oft genug wiederholen.«

15
    Während der nun folgenden beiden Tage gab es erste Anzeichen dafür, dass die Konfusion im Fall Ellerbee, die Delaney so zu schaffen machte, sich lichten sollte.
    »Es ist zwar immer noch ein Durcheinander«, sagte Delaney zu Sergeant Boone, »aber es ist ein organisiertes Durcheinander.«
    Es gelang ihm, seine kleine Hilfstruppe so zu manövrieren, dass jeder Detektiv jeden der sechs Patienten zu Gesicht bekam, und Mittwochabend waren er, Boone und Jason imstande, eine optimale Zuteilung vorzunehmen. Die sah folgendermaßen aus:
    Benjamin Calazo - Isaac Kane, Robert Keisman - Harold Gerber, Ross Konigsbacher - L. Vincent Symington, Helen Venable — Joan Yesell, Timothy Hogan — Ronald J. Bellsey, Brian Estrella — Sylvia Mae Otherton.
    »Sollte es doch noch Schwierigkeiten geben, probieren wir eine andere Zusammenstellung«, sagte Delaney.
    Estrella mit der Tabakspfeife hoffte inständig, dass er an Sylvia Otherton bleiben durfte. Diese Frau faszinierte ihn, und er meinte, dass er da ein gutes Werk würde tun können.
    Am Morgen seines ersten Zusammentreffens mit ihr hatte sein Horoskop in der Daily News versprochen: ›Es wartet eine angenehme Überraschung auf Sie‹, und als wäre das noch nicht genug, rief ihn seine Frau Meg aus der Klinik an, um zu sagen, dass es ihr bessergehe, dass ihre Haare wieder wüchsen, und dass sie bald entlassen werden könnte. Das war, Estrella wusste es wohl, eine Lüge, aber eine tapfere, eine beglückende Lüge.
    Sergeant Boone hatte ihn vorgewarnt, und doch war es für ihn ein kleiner Schock, als er die düstere, überheizte Wohnung betrat und sich einem Wesen gegenüber sah, dem eigentlich nur der Besenstiel fehlte, um über die Dächer reiten zu können. Sie war in ein voluminöses weißes Gewand gehüllt, das gut als Bettlaken hätte gelten können, nur war es mit dreieckigen, seidenen Fetzen besetzt. Es reichte fast bis zum Boden, ließ aber Othertons bloße Füße noch erkennen. Die waren zierlich und pummelig, die Zehennägel schwarz lackiert.
    Boone hatte ihm vom Schmuck der Dame erzählt, auch das Parfüm und den Sandelholzgeruch nicht vergessen. Das alles war da. Ihn überraschte eigentlich nur ihre Geduld. Immerhin wurde sie bereits zum dritten Mal von der Polizei im Fall Ellerbee belästigt, und er hatte erwartet, sie ablehnend, ja feindselig reagieren zu sehen. Statt dessen hieß sie ihn willkommen und erwähnte mit keinem Wort, dass sie die Fragen, die er ihr stellte, bereits zweimal beantwortet hatte, und tat es klaglos auch ein drittes Mal. Das wusste er zu schätzen, und spontan beschloss er, ihr absolut aufrichtig zu begegnen und damit alles auf eine Karte zu setzen. Es war ja denkbar, dass sie darauf positiv reagierte.
    »Wissen Sie«, sagte er, »am meisten ist uns daran gelegen, wirklich sicher zu wissen, wo Sie am Abend jenes Freitags gewesen sind. Sie sagen, Sie waren allein hier. Das mag ja stimmen, aber wenn es dafür irgendeine Bestätigung gäbe, wäre uns viel wohler. Sie sind nicht doch irgendwann aus dem Haus gegangen?«
    »Nein, nein«, versicherte sie leise, »ich gehe doch so gut wie nie aus. Das gehört ja zu meinen Schwierigkeiten.«
    »Und Sie hatten weder Besuch, noch haben Sie mit Hausbewohnern gesprochen und auch nicht telefoniert?«
    Sie hob ratlos die Schultern.
    »Genau

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