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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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gewesen, die beiden Häuser, die sie als Gläubigersicherheiten in vielen Verträgen gestellt hatten, zu Unrecht zu behalten. In Dutzenden von Prozessen waren sie ungeschoren davongekommen; gewieft, rücksichtslos und mit allen Wassern gewaschen, verborgen hinter einem brokatenen Vorhang aus Lug und Trug, blendend durch ausschweifende und beliebte Feste, die sie mit den Geldern der Geprellten ausgerichtet und zu denen sie nur die wichtigsten Leute geladen hatten. Am Ende waren es die betrogenen Gläubiger gewesen, denen zu allen Verlusten auch noch Unmoral vorgeworfen worden war. Man liebte die Imhoffs und hasste ihre Feinde in Köln. Eine schöne Frau an der Seite eines scheinbar erfolgreichen und äußerst großzügigen Geschäftsmannes und Gildemitgliedes. Und doch war all das Teil der Masche, ein geplantes Vorgehen, eine Art von Geschäft, das sich für das Betrügerpaar vielfach bewährt und ausgezahlt hatte.
    Nun aber lag die Sache anders. Andreas Imhoff war tot. Die Fassade hatte Risse und er seinen verdienten Lohn bekommen; wenigstens
er
würde niemanden mehr betrügen. Agnes stand alleine da. Agnes Imhoff, die Frau mit den zwei Gesichtern. Das eine mit dem bezauberndsten Lächeln und dem unschuldigen Augenaufschlag eines Rehs, eines, das von blütenduftgeschwängertem Haar und glatter Haut geziert wurde. Und das andere. Eiskalt. Berechnend. Gefühllos. Sie würde für diese Lüge zahlen. Charman ballte die Faust in der Tasche.
    »Ihr werdet mir meine Häuser nicht wegnehmen!«
    Er schrak zusammen und sah verwundert auf. In seine Gedanken versunken war er Bellendorf bis zum Ratsgericht am Domhof gefolgt, am Fuße dessen steinerner Treppe sie nun angelangt waren. Doch nicht das mächtige Gebäude selbst erregte seine Aufmerksamkeit, sondern die Frau, die sich auf der ersten Stufe postiert hatte und von zwei Männern, zwei Frauen und einem Kind umringt wurde. Es waren der Anwalt Mathis von Homburg, sein Assistent Augustin von Küffen, Agnes’ Tochter Sophie, die sich hinter ihrer Mutter verkrochen hatte, sowie Stingin Bruwiler, die Magd, und Gerlin Metzeler, die Cousine von Agnes, die Charman beide noch aus der Zeit seiner Besuche bei den Imhoffs kannte.
    Er blickte stumm in die Runde und dann in die vor Wut funkelnden Augen Agnes Imhoffs.
    Diese hatte die Hände energisch in die Hüften gestemmt und wirkte selbstsicher und siegesgewiss. Unwillkürlich kam ihm das Bild eines Racheengels in den Sinn, wie er es bereits des Öfteren in den Kirchen Antwerpens hatte bestaunen dürfen, als er den Götzen der päpstlichen Arroganz noch gutgläubig gehuldigt hatte. Mit unbeugsamem Blick, Augen, aus denen Blitze schossen, die die Kraft von Gottes Gerechtigkeit in sich trugen und die Sünder in Asche verwandelten. Mit vollem Haar, wehend im Atem des Allmächtigen, und Flügeln, die kraftvoll schlugen, genährt von Zorn und dem Durst nach Vergeltung.
    »Nicht Ihr!«, fauchte Agnes, und der Engel flog davon.
    »Geht einfach weiter, Herr Charman, ich bitte Euch«, raunte Helmbert Bellendorf seinem Mandanten mit einem verzweifelten Unterton zu. Er suchte die Situation zu schlichten, bevor sie eskalierte, doch es war bereits zu spät. Kaum dass Charman aus seiner Starre erwacht war, sprang er wieselflink zu Agnes Imhoff an die Treppe, stieß seinen Zeigefinger wie einen Speer durch die Luft und zeigte drohend auf sie.
    »Ihr werdet sehen, was mit denen geschieht, die einen Richard Charman zu betrügen suchen. Ich sage es Euch schon jetzt voraus: Im Armenhaus werdet Ihr landen, werte Frau Imhoff, und den Dreck vom Boden fressen wie eine Ratte. Ihr wollt mich ruinieren? Versucht es, aber ich sage Euch: Die Gerechtigkeit wird siegen. Euren Mann hat Gott bereits gerichtet für seine Untaten, und ich danke ihm dafür. Bald aber seid Ihr an der Reihe, das gelobe ich, so wahr ich hier stehe.«
    Langsam bildete sich eine Menschentraube um die beiden Kontrahenten des Wortgefechts, und auch die mit Hellebarden bewaffneten Wachen am Eingang des Gerichtes waren auf den lautstarken Disput aufmerksam geworden. Einige der Gaffer feixten und stießen sich an, so als wäre dieses Zusammentreffen der erste Akt eines in Kürze im Gerichtssaal fortzuführenden Schauspiels. Unentwegt zog und zupfte Helmbert Bellendorf, der, so schien es, etwaige unglückliche Äußerungen seines Mandanten um jeden Preis zu vermeiden suchte, an Charmans Jackenärmel. Der jedoch ignorierte ihn einfach.
    Plötzlich taumelte Agnes Imhoff rückwärts, fassungslos,

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