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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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Hauser nach einer peinlichen Pause, »widersprecht Ihr der Klage und Pfändung aufgrund dieses alten Gesetzes, das, wie Ihr selber wisst, im höchsten Grad überholungsbedürftig ist, ja schon längst hätte abgeschafft werden sollen.« Wütend funkelte er Mathis an.
    Der schluckte betreten. Das Gutachten konnte er schlecht wieder zurückziehen, ohne sich lächerlich zu machen. Schließlich war es die wichtigste Waffe zur Verteidigung seiner Mandantin.
    »Nun ja«, hörte er sich sagen, »das Gesetz ist immer noch in Kraft, Hoher Rat. Mein junger Freund hier war ein wenig vorschnell, aber im Grunde entspricht dies unserer Entgegnung. Vorsorglich, versteht sich, falls die Frage der Ware im Sinne der Klage geklärt werden kann. Was natürlich Vorrang hat, wie wir bereits ausgeführt haben.«
    Er ließ sich matt auf den Stuhl sinken und hätte sich am liebsten den Schweiß von der Stirn gewischt, wenn Bellendorf ihn nicht so aufmerksam beobachtet hätte.
    »Also dann«, knurrte Hauser verärgert. »Schreiber … fürs Protokoll: Das Gericht stellt hiermit den Fall der
litis contestatio
fest, der gegenseitigen Streitbezeugung.« Er sah noch einmal streng in die Runde. »Ich gehe davon aus, dass sich die Parteien dem Kalumnieneid stellen.«
    Als beide Advokaten bestätigten, fügte er mit starrem Blick auf von Homburg hinzu: »Nach dem Eid wird die Sitzung zunächst einmal vertagt«.

KAPITEL 3

13. 11. 1534

    Zweiter Verhandlungstag

    N och vor Sonnenaufgang war Richard Charman aufgestanden, hatte sich nach einer kurzen Wäsche des Gesichts und des Oberkörpers Beinkleid, Hemd und Jacke angezogen und war hinunter in den Schankraum gegangen. Trotz des frühen Tages, es mochte gerade einmal die achte Stunde geschlagen haben, war die Wirtschaft schon gut gefüllt. Händler, andere Gäste der Herberge, aber auch neugierige Bürger Kölns, die sich heute ebenfalls wieder zur Verhandlung im Ratsgerichtshaus des Doms einfinden würden, saßen beisammen und nahmen ihr Morgenmahl oder ein warmes Würzbier ein. Bereits von der Treppe aus hatte Charman dem Wirt mit einem Fingerzeig bedeutet, wohin er sich zu setzen gedachte, an den kleinen Tisch neben dem Aufgang zum Obergeschoss nämlich, möglichst weit entfernt von den anderen Gästen, wie er es jeden Tag zu tun pflegte, seitdem er hier im
Schwarzen Hahn
am Alten Markt, direkt gegenüber des Rathauses, angekommen war. Der Wirt, ein untersetzter Mann in den Vierzigern, kam heran und grüßte: »Guten Morgen, Herr Herrmann. Dasselbe wie immer?«
    Richard Charman nickte verdrossen. Er mochte nicht, wie einige der Deutschen ihn manchmal nannten.
Reichhardt Herrmann
. Wie bedauernswert und entstellt klang doch dieser Name im Vergleich zu seinem englischen, Richard Charman. Doch Insistieren nutzte nichts. Die Deutschen und im Besonderen die Rheinländer waren stur. Fröhlich und aufgeweckt, gewiss, aber stur und penibel. Eher ließen sie zu, dass ihm die Ohren schmerzten, als dass sie sich selbst Mühe gaben, wenn ihnen der Sinn nicht danach stand.
    Der Schankwirt stellte eine Schale Getreidegrütze sowie einen Humpen Dünnbier vor ihn. »Eine gesegnete Mahlzeit wünsche ich Euch, Herr Herrmann, und vor allem, dass unser Gott und unser Herr Jesus Christus mit Euch seien«, sagte er und blinzelte ihm vertraulich zu. Richard Charman glaubte, in den Worten des Schankwirtes einen verschwörerischen Unterton vernommen zu haben, den er sich nicht zu erklären vermochte. Verwundert sah er dem Mann nach, bis dieser mit einem Stapel Schalen in der Küche verschwunden war, schüttelte den Kopf und wandte sich seiner Speise zu.
    Obwohl der Roggenbrei mit Speck und getrockneter Petersilie gewürzt und sogar mit einem rohen Ei verfeinert worden war, führte Charman nur lustlos kleine Portionen mit dem hölzernen Löffel zum Mund. Ihn belastete die gesamte Situation, in der er sich befand, und dazu gehörten auch die Menschen in der Schänke, die er verhalten und aufmerksam studierte. Die meisten kannte er nicht, doch einige der Gesichter hatte er schon gestern im Prozess bemerkt. Den dicken Kaufmann etwa, mit seinem Gesicht, das an einen Hefekloß erinnerte, den die Köchin versehentlich zu lange im Dampf gegart hatte. Er war während der Verhandlung mehrmals eingeschlafen und hatte dies durch lautes, ungeniertes Schnarchen kundgetan, sehr zur Unterhaltung der anderen Zuschauer, aber zum Verdruss des Richters, Dr. Hieronymus Hauser, welcher derlei Verhalten als Missachtung seiner Autorität

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