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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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habe dir doch erzählt, wie freundlich sie gegenüber ihrer Cousine Gerlin Metzeler ist, die oft zum Haus Imhoff kommt. Die bedient sich mit Kuchen und Wein, als müsste sie verhungern. Ich werde nie vergessen, wie dankbar ihre Augen leuchteten, als meine Herrin ihr seidene Schnüre für ihre Haube schenkte.«
    Stingin dachte an die kühle Art der großen, blonden Frau, die sie zuweilen verunsicherte. Doch auch wenn sie eine eigentümliche Spannung zwischen ihr und Frau Imhoff spürte, so war sie dennoch überzeugt, dass Gerlin Metzeler dieser zugeneigt und dankbar war. Nein, auch anderen war Frau Imhoffs Güte offenkundig. »Und wenn du mir das nicht glaubst, dann bist du die längste Zeit meine Freundin gewesen!«, schnaubte sie und starrte vor sich hin.
    »Ach, Stingin, ich weiß ja, wie sehr du an ihr hängst«, sagte Brid besänftigend. »Doch wenn man dir so zuhört, fragt man sich wahrlich, ob du sie nicht zu sehr verklärst. Die Wirtin vom
Kleinen Ochsen,
diese Rumperth, wird auch nicht müde, sie über den grünen Klee zu loben, weil sie ihr damals, als ihr Mann starb, das Gasthaus alleine zur Pacht überlassen hat. Wenn ihr so weitermacht, spricht man sie noch heilig.«
    Brids Worte waren nicht nur gotteslästerlich, sie waren wie ein Messerstich, der Stingin geradewegs in den Magen fuhr. Mit offenem Mund sah sie die Freundin an. Diese setzte umgehend nach: »Wenn es stimmt, was du sagst, warum um alles in der Welt hat sie dann die Schuldscheine ihres Mannes unterschrieben?«
    Stingin biss sich auf die Unterlippe. Nie hatte sie Brid alles erzählt, was sie im Hause ihrer Brotleute beobachtet hatte. Leise sagte sie: »Weil er sie schlug, wenn sie nicht tat, was er wollte.«
    »Er schlug sie?« Brids Augen weiteten sich in ungläubigem Erstaunen. »Das hätte ich nicht gedacht. Ich meine, es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Ehemann sein Weib schlägt, doch bei dieser stolzen Frau hätte ich das nicht vermutet.« Sie blickte hinüber zum Glasschneider, der einem Kunden mit hohem Hut und einem Fuchspelz auf den Schultern ein Bildnis verkaufte, hob den Becher an die Lippen und trank.
    Ein nachdenkliches Schweigen hing zwischen ihnen. Ein unangenehmes Schweigen. Stingin vernahm das Schlurfen von Ledersohlen auf Holzboden, das Stimmengemurmel um sie her, ein Lachen von irgendwo, das Knallen, als ein tönerner Deckel zurück auf sein Gefäß gelegt wurde. Der Käufer vom Stand gegenüber ging seiner Wege.
    Sie äugte zu Brid. Diese hielt den Blick auf ihren Becher gesenkt, sah schließlich auf, wagte ein zaghaftes Lächeln.
    »Sie haben öfter gestritten. Sie litt unter ihrem Mann«, sagte Stingin leise, schlug die Augen nieder und biss sich auf die Unterlippe.
    Brid zuckte die Schultern. »Streit gibt es bei allen, Stingin. Das will nichts heißen.«
    »Du willst es nicht verstehen, was? Man tut ihr Unrecht mit solchen Vorwürfen!« Wieder spürte sie den Zorn in sich aufsteigen, der kurze versöhnliche Augenblick war vorbei. Sie trank ihren Becher in einem Zug leer. Der heiße Wein brannte ihr in der Kehle. Und nun? Sie hatte auf Brid vertraut, hatte Zuspruch und Aufmunterung von ihr erhofft, und jetzt waren sie uneins! Es gab ihr einen Stich ins Herz. Dann erinnerte sie sich daran, wer ihr in solchen Augenblicken Trost und Hilfe spendete.
Er
würde auch auf Brid einwirken. Ihr das ablehnende Betragen vor Augen halten, sie gemahnen, nicht weiter so schlecht über Frau Imhoff zu sprechen. Sie straffte die Schultern. Sah Brid an, fasste sie am Arm. »Wir werden in Sankt Nikolaus beten!« Plötzlich war ihr leichter. Sie würde auch um Beistand für den morgigen Tag bitten, oh ja!
    »Jetzt?«, fragte Brid und verzog den Mund.
    Stingin griff nach ihrem Leinenbeutel und sagte: »Gott wird uns helfen, ich weiß es. Er hat den bösen Andreas Imhoff gestraft, der jetzt tot ist und bestimmt in der Hölle schmort!« Sie steckte den leeren Becher in die Lederschlaufe an ihrem Gürtel, drehte sich um und strebte dem Ausgang zu.
    »Na, schaden kann’s nicht«, hörte sie Brid hinter sich brummen.
    Ein wenig Geschiebe und Gedränge, schon standen sie wieder draußen am nördlichen Ende des Heumarktes. Die Nacht war bereits hereingebrochen. Ein kalter Wind blies vom Rhein herauf und brachte den Gestank von Fisch und Schlick in die Stadt. Stingin presste den Leinenbeutel wie ein wärmendes Kissen an die Brust und wandte sich nach links. Beim Kohlenmarkt am Eingang zur Salzgasse besorgten letzte Käufer ihre Geschäfte, Fackeln

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