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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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einem Mal erstarrte Charman, um sich im gleichen Augenblick an eine der Säulen zu drücken. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite der Halle, suchte sich ein Mann im Halbdunkel zu verbergen. Hatte er ihn entdeckt? Charmans Herz raste. Er jedenfalls war davon überzeugt, den Mann erkannt zu haben.
    Es war niemand anderes als Advokat Mathis von Homburg.

KAPITEL 5

13. 11. 1534

    Am Abend des zweiten Verhandlungstages

    » W as soll ich ihnen denn sagen? Ich bin Stingin Bruwiler, Magd im Hause Imhoff?« Stingin sah ihre Freundin an. »Muss ich auch sagen, wie alt ich bin?«
    »Wozu das? Sie sehen doch, dass du jung bist«, erwiderte Brid und schlang den Zipfel ihrer Kapuze zum Schutz gegen den kalten Novemberwind um den Hals. »Nun schau nicht so verzweifelt drein. Ich weiß es doch auch nicht, Stingin. Ich bin noch nie in den Zeugenstand gerufen worden. Der Richter wird fragen, du wirst antworten, so wird es sein.«
    Sie waren am nördlichen Ende des Heumarkts wenige Schritte vor den Bänken der Käse- und Gemüsehändler stehen geblieben. Stingin war angehalten, Erbsen und Pfeffer einzukaufen. Und zwar rasch, bevor die Waren zusammengepackt wurden, denn es dämmerte bereits. Auf den meisten Schragentischen standen Windlichter, Fackeln wurden entzündet und auf Halterungen um die Bänke herum gesteckt. Über den Dächern hing ein blasser Halbmond. Vom Hühner- und Wildbretmarkt vorne bei der Marspforte wehte Gegacker und der Geruch des Federviehs herüber.
    »Komm!«, sagte Brid und hielt auf einen Gemüsestand zu. »Es ist spät, und wir wollen doch noch ins Kramhaus.«
    Ja, das wollten sie. In der Gadde, wie man das Kramhaus nannte, erhoffte Stingin sich Ablenkung von ihren bangen Gedanken um die morgige Befragung. Im Marktviertel gab es etliche dieser Gaddenhäuser, sie hatten sich aus den Buden der Händler entwickelt, waren mehrstöckig und boten in allen Geschossen die unterschiedlichsten Waren feil. Was es da alles zu bestaunen gab! Am liebsten gingen sie in jene Gadde, die am Durchgang zwischen Heu- und Altem Markt gelegen war. Dort gab es einen Kaufmann, der unzählige Glasperlen in derart berauschenden Farben feilbot, dass Stingin sich kaum daran sattsehen konnte. Zudem war eine weitere Bude in diesem Gebäude untergebracht, an der ihr Herz hing: ein Glasschneider, der kleine Bildnisse von Jesus darbot, die den süßen Herrn zeigten, wie er segnend die Hände hob, das Brot teilte oder am Kreuze litt. Eine dünne Kette war an jedem Bildnis befestigt, so dass man es aufhängen konnte, wo immer man wollte. Einen solchen Schatz zu besitzen, das wünschte sie sich noch mehr als ein Armband aus den bunten Glasperlen.
    Stingin folgte Brid und sah zu, wie diese aus den wenigen noch vorhandenen Kohlköpfen einen auswählte und nach ihrem Münzbeutel unter dem Umhang griff. Zwei Stände weiter erwarben sie ein breites Stück Hart- sowie ein Stück Ziegenkäse, doch Stingins Gedanken kreisten unaufhörlich darum, dass sie befragt werden sollte. Sie fürchtete sich davor. All die achtbaren Räte!
    Keine zwei Stunden war es her, dass der Gerichtsbote ins Haus der Imhoffs gekommen war, um sie für den morgigen Prozesstag als Zeugin zu laden. Das schmale, ernste Gesicht des jungen Mannes und das dicke gelbe Papier mit dem Siegel darauf, noch immer saß ihr der Schrecken über diese Botschaft in allen Gliedern. Oh, süßer Jesus, sie vor Gericht! Bei dem Prozess, über den ganz Köln sprach. Mit Bangen hatte sie Leute über die Verhandlung tratschen hören. Heute hatte es wohl einen Aufruhr gegeben, weil der junge von Küffen des Saales verwiesen worden war. Das wusste sie von Agnes Imhoff. Und sie musste auch daran denken, wie dieser Engländer ihrer Herrin am Morgen auf den Stufen zum Gerichtsgebäude gedroht hatte. Oh, die Arme, wie bedrückt sie dabei ausgesehen hatte! Wie gerne hätte sie ihr beigestanden, doch sie musste sich ja um Sophie kümmern. Sie solle sich nicht grämen und das Beste hoffen, hatte Frau Imhoff ihr zugeraunt.
    Dass sie sie zu dieser Stunde noch zum Markt schickte! Stingin vermutete – da morgens mehr Mägde den Tageseinkauf erledigten denn abends –, dass Frau Imhoff sie nicht den neugierigen Blicken aussetzen und ihr zudem den Schutz des Dämmerlichts gewähren wollte. Glücklicherweise sollte auch Brid, die Magd im Hause eines Siegelschneiders vor Sankt Martin war, noch etwas auf dem Markt besorgen und begleitete sie. Sie wollte mit ihr über den Prozess reden, sie brauchte die Freundin

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