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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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hereinkommen.«
    Ursel straffte ihren Körper und schritt am Büttel vorbei, der in der Nähe des Ausgangs stehen blieb.
    »Guten Tag, Herr«, sagte sie, zum Vogt gewandt.
    »Habt Dank für Euer Kommen. Bitte, nehmt dort Platz.« Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Die höfliche Anrede überraschte Ursel und nahm ihr etwas von der Angst, die sie bis dahin gespürt hatte.
    »Danke.«
    »Ich will gleich zur Sache kommen.« Er ordnete den vor sich liegenden Papierstapel, hob das oberste Blatt, überflog die Zeilen und legte es wieder ab. »Nun, wie Ihr Euch vielleicht schon denken könnt, geht es um ein Gespräch, das dieser Clewin und Ihr geführt haben sollt.«
    Ursels Herz klopfte heftiger. Ihre Vermutung hatte sich bestätigt. »Ich habe mich oft mit Clewin unterhalten. Er war viele Male Gast in meiner Wirtschaft.« Nervös knetete sie ihre Hände, rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und wartete, was der Vogt zu sagen hatte.
    Dieser lächelte sie an, doch war etwas Gefährliches in seinem Blick. Fast schien es ihr, als würde sie immer kleiner in ihrem Stuhl.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Clewin Euch von einer Unterredung oder, besser gesagt, von einem Handel mit dem inzwischen verstorbenen Andreas Imhoff berichtet hat. Wisst Ihr, wovon ich spreche?«
    »Ich denke schon.« Ursel rief sich zur Ruhe und mühte sich, ihre Atmung zu verlangsamen. »Allerdings denke ich kaum, dass seinen Worten Glauben zu schenken war.«
    »Weshalb nicht?«
    »Er war sturzbetrunken, als er es mir erzählte.«
    »Das sind diese Kerle meistens, doch auch in der Rede eines Betrunkenen steckt immer ein Fünkchen Wahrheit. Also erzählt mir von dem Abend.« Er faltete die Hände und stützte die Ellbogen auf seinen Schreibtisch.
    Ursel setzte sich gerade hin. Eben überlegte sie noch, welchen Teil der Unterhaltung sie lieber auslassen sollte, um ihrer Verpächterin Agnes Imhoff nicht durch eine unbedachte Äußerung zu schaden. Doch sie erkannte, dass es nichts nützte, jetzt etwas zu verschweigen. Falls Clewin doch wieder auftauchte, würde auch er befragt und möglicherweise die Lücken schließen, die Ursel offen ließ. Die Folgen, die dies für sie selbst haben könnte, mochte sie sich nicht ausmalen.
    Also erinnerte sie sich, was sich an dem Abend zugetragen hatte, und berichtete dem Vogt so genau wie möglich: »Clewin war schon ziemlich betrunken gewesen und verlangte noch ein Bier. Plötzlich schlug er vor, dass ich das Geld für mindestens zehn weitere Krüge bei der Pachtzahlung an Andreas Imhoff abziehen könne, weil er von etwas wisse, das weitaus mehr wert sei. Er habe Andreas Imhoff einen derart hohen Gewinn eingebracht, dass dieser den läppischen Betrag für die Krüge gewiss verkraften könne.«
    Der Vogt horchte auf. Interessiert blickte er Ursel an und fragte: »Hat er das weiter erläutert?«
    Ursel nickte. »Nicht gleich. Er wollte nicht mit der Sprache herausrücken, bis er nicht ein weiteres Bier bekäme.«
    Der Vogt grinste scheel. »Also habt Ihr es ihm gegeben?«
    Ursel nickte. »Und was er mir dann erzählt hat, mochte ich kaum glauben.«
    Sie beugte sich ein wenig vor und berichtete dem Vogt, wie Clewin behauptet hatte, einige Wochen zuvor von Andreas Imhoff angeheuert worden zu sein: Er sollte des Nachts eine komplette Schiffsladung Tuchballen auf vier Ochsenkarren verladen und die gleiche Menge minderwertigerer Ware wieder auf das Schiff bringen.
    »Und weiter?«, bat der Vogt.
    Zu Ursels Überraschung klang er ein wenig enttäuscht, also fuhr sie fort: »Clewin sagte, dass er nach dem Austausch der Ware eimerweise Wasser aus dem Rhein habe schöpfen und es über den hinteren Teil des Schiffs gießen müssen, wo sich die Tuche befanden. Es sei nur so viel gewesen, dass es bei Tageslicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen war. Doch spätestens beim Abrollen hätte man den Schaden bemerkt und gesehen, dass die Ware verdorben und unbrauchbar war.«
    »Und? Habt Ihr ihm die Geschichte geglaubt?«
    Ursel dachte einen Augenblick nach. Es schmeichelte ihr, dass der Stadtvogt Wert auf ihre Meinung legte und ihr offenbar Menschenkenntnis zutraute. Langsam schüttelte sie mit dem Kopf. »Anfangs ja. Aber dann war ich nicht mehr so überzeugt.«
    »Weshalb?«
    »Wegen seiner Bemerkung, als er ging.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Nun, ich erinnere mich, wie erschrocken ich wegen der Geschichte war. Also fasste ich ihn am Arm und fragte, ob das wirklich alles so geschehen sei. Er grinste mich an und

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