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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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wohnt.«
    »Das wäre ja noch schöner.« Ursel lachte auf. »Nein, das geht nicht. Ich werde hier gleich genug zu tun haben, und es ist niemand da, der mir hilft. Wenn ihr im Hafen nach der alten Else fragt, wird man euch gewiss den Weg weisen.«
    »Nein, du kommst mit uns, der Vogt will auch dich sprechen.«
    Ursel zuckte zusammen. »Mich? Was habe ich denn mit der ganzen Sache zu tun?«
    »Das wirst du noch früh genug erfahren. Wirf dir einen Umhang über und komm.«
    Sie wollte protestierten, fand aber keine Worte. Zu rasch jagten ihr die Gedanken durch den Kopf. Eine Befragung beim Vogt verhieß nichts Gutes. Da es sich um etwas handeln musste, das Clewin und sie miteinander verband, kam ein Verdacht in ihr auf. Doch wie sollte der Stadtvogt hiervon erfahren haben? War deshalb der Prozess unterbrochen worden?
    »Träum nicht, sondern komm!«, wies der Große sie an.
    »Ist ja schon gut«, murmelte Ursel, »ich hole nur rasch meinen Mantel.« Sie ging in den Nebenraum und legte sich den Mantel über die Schultern.
    Die Büttel warteten, bis sie das Wirtshaus abgeschlossen hatte, und nahmen Ursel in ihre Mitte. Die Wirtin hoffte inständig, niemandem zu begegnen, musste man doch annehmen, dass sie verhaftet worden sei.
    Sie fröstelte und zog ihren Mantel enger um sich. Aus dem Augenwinkel musterte sie den Büttel, der rechts von ihr ging. Er war ein bisschen älter als der andere und hatte offenbar das Sagen. Seine Schritte waren lang, und obgleich sie, gerade für eine Frau, recht groß gewachsen war und so manchen Kerl überragte, kam sie sich neben diesem hier klein vor.
    Es hatte zu schneien begonnen, und der Wind trieb ihnen kleine nasse Flocken ins Gesicht. Der Weg, die letzten Tage noch matschig und feucht, war mit einer harten Frostschicht überzogen, die sie das eine oder andere Mal ins Stolpern brachte.
    »Weshalb soll ich befragt werden?«
    Als sie keine Antwort erhielt, machte sie unvermittelt Halt. »Ich gehe nicht weiter, bis ihr mir nicht sagt, worum es sich handelt.«
    Der Büttel, der sie zur Linken flankiert hatte, warf dem anderen einen fragenden Blick zu. Dieser ging zu Ursel zurück und blieb ganz nah vor ihr stehen. Sein warmer Atem warf ihr stoßweise Wölkchen entgegen. Zornig funkelte er sie an. Vorhin meinte sie gesehen zu haben, dass seine Augen blau waren. Nun, so dicht vor ihrem Gesicht und mit dem Ausdruck überschäumender Wut darin, wirkten sie dunkler, fast schwarz. Ursel hatte Mühe, ihr Zittern zu bezähmen. Ob der Kälte oder des Büttels wegen, konnte sie nicht sagen. Sie zwang sich, standzuhalten und nicht ihrem Gefühl zu folgen, einen Schritt zurückzutreten.
    »Wir haben unsere Befehle, und die werden wir ausführen.« Mit einer fast behutsamen Geste legte er seine Hand in ihren Nacken und umfasste ihr Genick. Ursels Haut begann zu kribbeln, ihr Hals wurde trocken, und sie schluckte.
    Er lächelte sie an, als er sein Gesicht noch näher an das ihre heranbrachte, so dass die Nasenspitzen sich fast berührten. »Wir werden jetzt in aller Ruhe zum Hafen gehen und diesen Clewin abholen. Du wirst ganz von allein einen Schritt vor den anderen setzen, oder ich helfe dir dabei. Es liegt ganz bei dir. Hast du verstanden?« Er lockerte seinen Griff und strich ihr sanft über das Haar. Seine Augen wirkten nun tiefschwarz, und Ursel lief es eiskalt den Rücken hinab.
    »Ich werde allein gehen.« Ihre Stimme gehorchte nur schwach.
    Sofort ließ er sie mit einem Ruck los. »Schön, das freut mich. Und wenn du es dir anders überlegst und doch unsere Hilfe brauchst, dann sag es nur.«
    Er drehte sich um und stiefelte los. Der andere Büttel hatte schweigend und ohne jede Regung das Geschehen verfolgt, warf der Wirtin noch einen Blick zu und folgte seinem Kollegen. Hastig machte Ursel sich daran, zu ihnen aufzuschließen. Ohne ein weiteres Wort legten sie die Strecke zum Hafen zurück.
    In Ursels Kopf arbeitete es. Schnell war ihr klar, dass es nur einen Grund geben konnte, weshalb sie befragt werden sollte: das Gespräch mit Clewin damals im Wirtshaus. Das musste es sein! Einen Moment lang schloss sie die Augen. Hätte sie nur nie davon erfahren. Und vor allem: Wäre sie doch bloß nicht so dumm gewesen, Agnes Imhoff davon zu erzählen. Sie hätte es einfach als das Gerede eines Betrunkenen abtun und für sich behalten sollen. Stattdessen hatte sie sich selbst und womöglich auch Agnes in gewaltige Schwierigkeiten gebracht.
    Ihre anfängliche Besorgnis steigerte sich zu Angst, und sie

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