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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Beichte gebeten, oder kommst du aus eigenem Antrieb, mein Sohn?«, fragte der Bischof, als Paganinis Sohn vor ihm in die Knie gegangen war, um seinen Ring zu küssen.
    »Zwar ist er sehr schwach und kann nicht mehr sprechen, aber er verständigt sich mit einem Schiefergriffel mit uns, Euer Exzellenz«, erklärte Achille. »Auf diese Weise hat er darum gebeten, dass Ihr ihn besucht und ihm ermöglicht, in Frieden zu sterben.«
    Viele Jahre war das Leben in Nizza, das damals zum Königreich Sardinien gehörte, angenehm und friedvoll verlaufen für Monsignore Galvano und seine rechte Hand im Bistum, den Domherrn Caffarelli, bis im November 1839 der international berühmte Paganini eintraf. Der Künstler hatte sich in der vergeblichen Hoffnung in der Stadt niedergelassen, das milde Klima an der Côte d’Azur werde ihm eine gewisse Linderung bei seinen zahlreichen Leiden verschaffen, teils aber auch, weil die Situation in Frankreich für ihn außerordentlich schwierig geworden war, nachdem er einige Monate zuvor in Paris mit dem sogenannten Casino Paganini gescheitert war, einem Etablissement, das halb Konzertsaal, halb Spielklub gewesen war.
    Paganini, der bereits bei seiner Ankunft in Nizza außerordentlich schwach gewesen war, hatte den Behörden keinerlei Schwierigkeiten bereitet – unter anderem, weil es ihn schon beträchtliche Mühe kostete, auch nur zu reden –, doch sein Ruf als Frauenheld, Spieler und streitlustiger Mann war ihm vorausgeeilt, und so hatten Galvano und sein Gehilfe seit Paganinis Ankunft in einem Zustand permanenter Anspannung gelebt, als befürchteten sie, jenes mephistophelische Geschöpf könne urplötzlich wieder zu Kräften kommen und ihre friedvolle Stadt in eine Art teuflisches Chaos versenken.
    Es gingen Gerüchte – die durchaus begründet waren –, Paganini sei überhaupt nicht mehr in der Lage, aufzutreten, und habe sich deshalb dem Handel mit Musikinstrumenten zugewandt, auch wenn niemand zu sagen vermochte, bis zu welchem Grade er dieses Geschäft mit gefälschter Ware betrieb – Fälschungen von Stradivaris und Guarneris waren zu jener Zeit weitverbreitet und sehr einträglich – oder aber mit authentischen Instrumenten aus seiner berühmten Sammlung.

    Sobald Achille das Amtszimmer des Bischofs verlassen hatte, läutete dieser das Glöckchen, mit dem er immer nach Caffarelli rief, um ihn zu demütigen, als wäre er ein einfacher Diener. Der Domherr erschien sofort, wie der Geist aus der Flasche.
    »Mach dich bereit«, ordnete der Bischof an, »du musst noch heute Abend in der Stadt eine Letzte Ölung spenden. Nimm Paolo mit, damit er dir bei allem Nötigen hilft.«
    Paolo war niemand anderes als Galvanos Neffe und diente als Messdiener in der Diözese Nizza, in einem Alter, in dem andere junge Männer bereits das Priesterseminar verließen. Der Bursche hatte einen wilden, ein wenig scheelen Blick sowie einen beunruhigenden Flaumbart auf der Oberlippe. Er war so wohlbeleibt und kräftig wie er ein schlechter Schüler war, und man gestattete ihm lediglich seiner Verwandtschaft mit dem Bischof wegen, als Messdiener zu fungieren, zumal er auf Grund seiner einschüchternden Statur auch als Leibwächter diente, wenn der Herr Bischof in weniger vertrauenerweckenden Gegenden der Stadt solche Dienste benötigte.
    Paganinis Haus stand auf einer Anhöhe mit Blick auf die Promenade des Anglais, die so hieß, seit 1763 eine Handvoll vermögender britischer Staatsbürger, angeführt von dem schottischen Schriftsteller Tobias Smollett, dem nebligen Londoner Winter entflohen waren und sich an der stets sonnigen Baie des Anges niedergelassen hatten.
    Die Gegend war besonders gefährlich, weshalb der stets vorsichtige Caffarelli die Begleitung des Messdieners für unabdingbar hielt. Aber auch so ging dem Domherrn die Vorstellung, einen Mann zu betreuen, der an Syphilis litt und von dem es hieß, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, derart gegen den Strich, dass er sich erbittert gegen den Auftrag des Bischofs zur Wehr setzte.
    »Euer Exzellenz, Signor Paganini ist im Besitz des Ordens vom Goldenen Sporn, den Seine Heiligkeit ihm 1827 verliehen hat. Solltet Ihr ihm in diesem Fall nicht die Ehrerbietung erweisen, ihn selbst zu salben?«
    Caffarelli hatte noch einen Trumpf in der Hand, denn er hatte an der Tür gelauscht und die Unterredung zwischen Achille Paganini und Galvano mit angehört. Somit wusste er auch, dass der Geiger explizit darum gebeten hatte, dass der Bischof

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