Die Violine des Teufels
Flughafen Narita abgeholt wirst. Eins noch, antworte nur ja oder nein. Hat Rescaglio die Geige bei sich?«
»Ja, Papa.«
Rescaglio schien das Gespräch nun lange genug gedauert zu haben, und er hielt sich den Hörer wieder ans eigene Ohr.
» Arrivederci, Inspector, und denken Sie daran: Falls Sie auf die Idee kommen, besonders gerissen sein zu wollen, und ich auf meiner langen Reise nach Tokio irgendwelche Unannehmlichkeiten habe, dann wird Ihr Sohn derjenige sein, der dafür bezahlt. Wenn ich Sie am Flughafen sehe, stirbt Ihr Sohn. Wenn das Polizeiaufkommen größer als sonst ist oder beim Einchecken jemand etwas tut, was mich nervös macht, stirbt Ihr Sohn. Und Anes Eltern machen hinterher Hackfleisch aus Ihnen, denn die Stradivari zerstöre ich dann auch. Ende und aus!«
Dann legte er auf, ehe Perdomo sich eine passende Entgegnung auf seine sadistischen Drohungen zurechtlegen konnte.
»So, Gregorito«, sagte Rescaglio vergnügt, »jetzt machen wir uns auf den Weg.« Seine bisher harte, eisige Miene hatte sich verwandelt, und der charmante Cellist, der Gregorio bei dem Boccherini-Duett so bezaubert hatte, kam wieder zum Vorschein.
»Dein Vater hat versprochen, dass er sich wie ein braver Junge benehmen will, also werden wir eine Reise wie aus dem Bilderbuch haben. Von jetzt an liegt dein Leben allein in deiner Hand, alles hängt nur von dir ab. Wenn du brav bist, kommt dir das alles in vierundzwanzig Stunden nur noch vor wie ein schlechter Traum. Und obendrein wirst du Tokio kennenlernen, das Paradies der elektronischen Spielereien! Wenn du aber auf die Idee kommst, den stronzo zu spielen, und versuchst, mir wegzulaufen … dann bereitest du deinem Vater den größten Kummer seines Lebens, das verspreche ich dir.«
»Ich mache alles, was mein Vater mir gesagt hat«, erwiderte der Junge mürrisch.
»Das wollte ich nur hören. Und jetzt pass auf: Es wird einen besonders heiklen Moment geben, und zwar wenn wir durch die Sicherheitskontrolle gehen und du nicht in Reichweite meiner Schere bist. In diesem Augenblick wirst du dich von Polizisten umgeben sehen und wissen, dass ich dir nichts tun kann, also kommst du vielleicht in Versuchung, davonzulaufen.«
Im Stillen musste Gregorio zugeben, dass er sich eine solche Gelegenheit zur Flucht wohl kaum entgehen lassen würde.
»Ich möchte, dass du weißt, was passiert, falls du auf die Idee kommst, dann zu flüchten, damit du hinterher nicht sagen kannst, du hättest es nicht gewusst.«
Rescaglio klappte sein Handy auf und suchte im Telefonverzeichnis eine Nummer heraus. Ehe er sie wählte, warnte er Gregorio.
»Genauso wie dein Vater dich in eine sehr unangenehme Lage bringen würde, wenn er versuchen würde, mich festzunehmen, wird sich eine absolut vertrauenswürdige Person darum kümmern, deinen Vater zu liquidieren, fünf Minuten nachdem du versucht hast, abzuhauen oder mich bei der Sicherheitskontrolle an die Polizei zu verraten.«
Rescaglio wählte, und als am anderen Ende jemand abnahm, sagte er: »Renzo? Ich gebe dir jetzt den Jungen.«
Dann reichte er Gregorio das Telefon. Am anderen Ende der Leitung hörte der Junge jemanden schwer atmen, als hätte er Asthma oder wäre ein Perverser. Der Mann sagte: »Ich lege deinen Vater um und tutta la tua famiglia, wenn du auch nur die kleinste Dummheit machst. Capito? Ich schneide allen mit einem Küchenmesser die Kehle durch!«
Entsetzt schloss Gregorio die Augen. Dann brach er in Tränen aus. Er schluchzte heftig und untröstlich, die Wut, die er noch vor wenigen Minuten verspürt hatte, war tiefster Verzweiflung gewichen.
Er konnte schließlich nicht wissen, dass besagter Renzo zwar tatsächlich ein enger Freund von Rescaglio war, seinem Vater aber kaum etwas würde antun können, da er sich in Tokio befand, wo er Rescaglio helfen sollte, seine Spuren endgültig zu verwischen.
Gregorios Entführer hatte keinerlei Mitleid mit seiner Geisel – dem Jungen, dem er noch wenige Tage zuvor Komplimente über seine Musikalität und Spieltechnik gemacht hatte. Er ließ Gregorio schluchzend in einer Ecke hocken, während er erneut zum Telefon griff. Er musste mehrere Anrufe tätigen, doch schließlich gelang es ihm, ein Taxi zu bestellen, das sie zum Flughafen bringen würde.
52
W ährenddessen dachte Perdomo in seinem Auto über eine Strategie nach, mit der man Gregorio aus den Händen seines Entführers befreien könnte. Wenn es darum ging, die Sicherheit seines Sohnes zu gewährleisten, gab es nur eine
Weitere Kostenlose Bücher