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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Person, auf die er sich hundertprozentig verlassen würde, und das war er selbst. Er musste zum Flughafen fahren, so viel war sicher, und wenn er seinen Sohn auch nicht befreien konnte, so konnte er sich doch vergewissern, dass es ihm gutging und er sich nicht selbst in Gefahr brachte, indem er versuchte, Rescaglio davonzulaufen. Perdomo traute sich durchaus zu, den Entführer und sein Opfer bis zum Flugsteig zu verfolgen, ohne bemerkt zu werden. Darüber hinaus fragte er sich jedoch, wie Rescaglio die Kontrolle über seinen Gefangenen behalten wollte, wenn sie erst durch die Sicherheitskontrolle gegangen waren, denn die Schere würde im Scanner gewiss entdeckt und sofort von einem Beamten der Guardia Civil beschlagnahmt werden. Aber vielleicht hatte Rescaglio ja irgendwo, beispielsweise im Geigenkasten, einen Gegenstand aus Kunststoff oder Holz versteckt, der ebenso gefährlich war wie die stählerne Schere? Doch selbst dann, das war Perdomo klar, würde Rescaglio an der Sicherheitskontrolle am verwundbarsten sein, denn dann würde er Gregorio loslassen müssen, wenn auch nur für eine Minute.
    Als Erstes rief Perdomo bei AENA, der staatlichen Betreibergesellschaft der spanischen Flughäfen, an, um sich zu erkundigen, welche Flüge an diesem Tag nach Tokio abgingen. Man teilte ihm mit, dass man nur Auskunft über die Direktflüge geben könne. Es gab aber keine Fluggesellschaft, die ohne Zwischenstopp nach Japan flog, daher rief er als Nächstes bei einem ihm bekannten Reisebüro an, wo man ihm sämtliche Flüge dieses Tages nannte. Der Flug der Swiss Air via Zürich war bereits um neun Uhr fünfzig gestartet, und kurz darauf, um zehn Uhr zwanzig, der Flug der Air France via Paris. Lufthansa startete um sechzehn Uhr fünfzig und flog über Frankfurt, und um neunzehn Uhr dreißig gab es einen weiteren Air-France-Flug mit Zwischenhalt in der französischen Hauptstadt. Dienstags und donnerstags ging um sechzehn Uhr ein Flug mit Iberia, der in Amsterdam Anschluss an ein anderes Flugzeug derselben Fluggesellschaft hatte, welches am nächsten Tag um vierzehn Uhr dreißig in Tokio landete. Das musste der Flug sein, den Rescaglio nehmen wollte, denn er hatte Perdomo ja am Telefon gesagt, er werde Gregorio zwischen drei und vier Uhr nachmittags auf der Rendezvous Plaza freilassen.

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    D er Plan, den Perdomo sich zurechtlegte, war recht simpel. Er musste zum Terminal vier des Flughafen Barajas, wo der Flug der Iberia nach Amsterdam abging, sich an der Sicherheitskontrolle bei der Guardia Civil ausweisen und sich auf der anderen Seite der Kontrolle auf die Lauer legen, um in Aktion zu treten, sobald Gregorio unter dem Metalldetektor hindurchging und außer Reichweite des Italieners war. Falls er rechtzeitig ankam, würde Rescaglio ziemlich leicht auszuschalten sein. Doch würde Perdomo den Flughafen vor dem Entführer seines Sohnes erreichen? Von seiner Wohnung im alten Stadtkern von Madrid dauerte es bis zum nicht einmal zwanzig Kilometer entfernten Flughafen nur knapp fünfundzwanzig Minuten. Doch Perdomo befand sich gerade in El Boalo, beinahe eine Stunde vom Flughafen entfernt. Wollte er dieses Rennen gewinnen, konnte er nur darauf hoffen, dass die Schlange am Check-in sehr lang war. Er verfluchte sich, weil er eingewilligt hatte, einer Reporterin von Telemadrid ein Interview an dem Ort zu geben, an dem er den Narwal-Mörder entdeckt hatte. Als sein Sohn beziehungsweis Rescaglio zum ersten Mal versucht hatte, ihn anzurufen, hatte Perdomo sein Handy nicht einmal gehört, weil es auf stumm geschaltet war, damit das Interview nicht gestört wurde. Erst als er endlich alle Fragen der Journalistin beantwortet hatte, hatte er gesehen, dass er einen Anruf von zu Hause gehabt hatte, und sofort zurückgerufen – nur dass dann Rescaglio das Gespräch angenommen hatte.

    Perdomo überprüfte, ob seine Dienstwaffe geladen war, und gab dann ins Navigationssystem seines Wagens das Ziel ein, das er um jeden Preis vor Larrazábals Mörder erreichen musste. Das Gerät zeigte ihm an, die kürzeste Route führe über Cerceda bis zur Autobahn nach Colmenar Viejo und von dieser dann auf die M-40 bis zur Abfahrt zum Terminal vier. Ohne sich von der Reporterin – einer sommersprossigen Neapolitanerin, die zwar erst sechs Monate in Spanien lebte, aber trotzdem schon hervorragend Spanisch sprach – zu verabschieden, drückte er das Gaspedal bis zum Anschlag durch, um das kleine Dorf in der Sierra Norte de Madrid so schnell wie möglich

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