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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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anstatt einfach geradeaus davonzurennen und damit auf Ebene eins zu bleiben, folgte Gregorio einer Intuition, die ihm das Leben rettete: Er rannte auf die Rolltreppe, die wieder hinaufführte, und als Rescaglio versuchte, ihn erneut zu packen, konnte er sich hinter einer Dame verschanzen, die in diesem Augenblick ebenfalls hinauffuhr. Dann rannte er weiter die Rolltreppe hinauf und entfernte sich dadurch mit verdoppelter Geschwindigkeit von Rescaglio.
    »Figlio di puttana!«, brüllte der Italiener. Aber er merkte selbst, dass sein Schrei bloß ein Ausdruck seiner Ohnmacht war. Der Schwung der heftigen Bewegung, mit der er versucht hatte, den Jungen erneut zu packen, sorgte dafür, dass das schwere Cello auf seinem Rücken ihn zu Boden warf.
    Mehrere Umstehende merkten, dass Rescaglio nicht einfach nur gestolpert war, und scharten sich um ihn, um ihm zu helfen. Einem jungen Mann bekam das schlecht: Er sagte, er sei Krankenpfleger, wollte die Blutung an Rescaglios Fuß zum Stillstand bringen und bekam dafür einen Fußtritt ins Gesicht. Bewusstlos stürzte er auf die Metallabdeckung, unter der der Motor der Rolltreppe lag.
    »Lasst mich in Ruhe, ihr Arschlöcher!«, brüllte Rescaglio und strampelte mit den Beinen wie ein Käfer auf dem Rücken – wie Kafkas Gregor Samsa. Nur unter großen Mühen gelang es ihm, wieder aufzustehen, weil er dabei gegen das Gewicht des Cellokoffers ankämpfen musste. Seine potenziellen Helfer waren unterdessen zu dem Schluss gekommen, dass diesem Mann nicht zu helfen war, und entfernten sich hastig. Schließlich gelang es Rescaglio doch, aufzustehen. Wie ein verwundetes Tier hinkend, entfernte er sich einige Meter von der Rolltreppe und suchte Zuflucht in einer Reihe Kunststoffsitze, wo er seine Wunde versorgte.

    Unterdessen steckte Inspector Perdomo auf der obersten Ebene des T4 die Hand in die Innentasche seiner Jacke, um dem Beamten der Guardia Civil an der Sicherheitskontrolle seine Dienstmarke zu zeigen. Er fand sie nicht, und es dauerte eine Weile, ehe ihm einfiel, wieso er sie nicht bei sich trug. Während des Interviews in El Boalo hatte der Kameramann ihn um seine Dienstmarke gebeten, um eine Detailaufnahme davon zu machen, und in der Hektik seines Aufbruchs hatte Perdomo vergessen, sie wieder an sich zu nehmen. Nun wusste er auch, warum die Journalistin ihm so aufgeregt hinterhergewunken hatte.
    Er versuchte, den skeptischen Beamten auch ohne Dienstmarke davon zu überzeugen, dass er ihn auf die andere Seite der Sicherheitskontrolle ließ.
    »Ich habe jetzt keine Zeit für lange Erklärungen, aber ich verfolge einen gefährlichen Verbrecher, der das Land verlassen will und meinen Sohn als Geisel bei sich hat.«
    »Mein Vorgesetzter ist im Augenblick nicht hier, und ohne seine Genehmigung darf ich niemanden ohne Boardingkarte und Pass oder Personalausweis durchlassen.«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich bin Inspector bei der Kriminalpolizei. Den Personalausweis habe ich hier«, wies Perdomo ihn zurecht, »und da steht drin, dass ich Polizist bin. Die Dienstmarke kann ich Ihnen nicht zeigen, die hat eine Reporterin von Telemadrid.«
    »Wenn der Personalausweis die Dienstmarke ersetzen könnte, bräuchten Polizisten keine Dienstmarken, meinen Sie nicht?«, entgegnete dieser Sturkopf. »Warten Sie einen Moment hier, bis mein Vorgesetzter wieder da ist – wenn er grünes Licht gibt, lasse ich Sie mit dem größten Vergnügen durch.«
    Perdomo ließ den Blick durch den Raum hinter der Sicherheitskontrolle schweifen, als glaubte er, er könne im Gewirr der Passagiere plötzlich den Mann entdecken, der seinen Sohn entführt und Ane Larrazábal hatte ermorden lassen. Schon der Gedanke an den verängstigten Gregorio in der Gewalt dieses Mannes und überdies nur wenige Meter von ihm entfernt bestärkte ihn darin, nicht locker zu lassen.
    »Und wann kommt er zurück? Wo ist er denn? Können Sie ihn nicht suchen gehen, damit es schneller geht?«
    »Er ist zur Toilette gegangen, und Sie werden verstehen, dass es länger dauert, wenn wir ihn suchen gehen, als wenn wir hier in aller Ruhe auf ihn warten.«
    Was konnte er tun, um jemanden zu überzeugen, der so schwer von Begriff war? Perdomo verfluchte sich tausendfach, weil er seine Dienstmarke vergessen hatte. Er war versucht, diesem Narren einfach seinen Revolver unter die Nase zu halten, damit er sah, dass er wirklich Polizist war, doch natürlich war ihm klar, dass er damit alles nur noch schlimmer machen würde.
    »Rufen Sie bei der

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