Die Violine des Teufels
Diese Violine ist verflucht, Arsène! Glaub mir.«
9
Madrid, eine Stunde nach dem Verbrechen
D as Lokal, das Elena Calderón ausgewählt hatte, um nach dem unseligen Konzert einen Happen zu essen, ehe man nach Hause ging, war das Intermezzo, das hinter dem Auditorio Nacional lag und köstliche Tapas zu angemessenen Preisen bot. Georgy Roskopf, der Tubaspieler, bestellte nur ein Bier und ging bereits fünf Minuten später nach einem kuriosen Zwischenfall mit einem Hund, der auf der Straße auf sein Frauchen wartete, da Tiere im Lokal verboten waren. Als handelte es sich um ein falsch geparktes Auto, fragte der Russe laut, wem der Hund gehöre, und als die Halterin sich zu erkennen gab, bat er sie, den Hund von der Tür zu entfernen – die Hundeleine war draußen am Türknauf angebunden.
»Er hat eine krankhafte Hundephobie«, erklärte Elena Calderón Perdomo. Unterdessen erhitzten die Gemüter in der Bar sich immer mehr, da die Dame sich weigerte, den Hund anderswo anzubinden. Am Ende setzte der Russe sich durch, denn die übrigen Gäste überzeugten die Hundehalterin, dass man die Nervensäge – Roskopf – nur loswerden würde, wenn man ihr ihren Willen ließ.
In der kurzen Zeit, die sie gemeinsam am Tatort verbracht hatten, hatte Perdomo den Eindruck gewonnen, dass die Beziehung zwischen dem Chefdirigenten des Orchesters, Joan Lledó, und Elena Calderón äußerst angespannt war. Sie hatten sich kaum eines Blickes gewürdigt, und wenn sie doch einmal miteinander gesprochen hatten, dann sehr kurz angebunden. Zunächst hatte Perdomo vermutet, dass Calderón und Lledó in der Vergangenheit womöglich eine Affäre gehabt hatten, die unschön geendet hatte. Nachdem der Inspector an der Theke ihre Bestellungen aufgegeben hatte, beschloss er, der Sache auf den Grund zu gehen. Doch zuvor war er so umsichtig, seinem Sohn einige Münzen zu geben, damit dieser flippern konnte, während sie sich ungestört unterhielten.
Zunächst stellte er eine allgemeine Frage: »Seit wann ist Señor Lledó schon Chefdirigent des Orchesters?«
»Seit etwa drei Jahren. Ich bin kurze Zeit später dazugekommen.«
»Da ist etwas, was ich nicht verstehe. Wenn Lledó eigentlich das Nationalorchester dirigiert, warum stand dann heute Agostini am Pult?«
»Lledó ist Chefdirigent des Orchesters und künstlerischer Leiter, aber Arjona wollte für das Hispamúsica-Konzert lieber einen Gastdirigenten.«
»Und Lledó hat kein Vetorecht?«
»Theoretisch schon, weil er eben der künstlerische Leiter ist. Aber wir Musiker des Nationalorchesters können da auch mitreden, und wir hätten einen Riesenaufstand veranstaltet, wenn er nein zu zwei Superstars wie Larrazábal und Agostini gesagt hätte.«
»In welcher Beziehung stand Lledó zum Opfer?«
»Es heißt, er hätte alles dafür gegeben, einmal mit ihr ein Konzert zu geben. Dazu wird es jetzt nie kommen.«
»Halten Sie ihn für einen guten Dirigenten?«
Elena Calderón zögerte, doch schließlich kam sie ohne Umschweife direkt zur Sache.
»Ich liege seit Monaten beruflich im Streit mit Señor Lledó, ich wäre nicht unparteiisch, wenn ich ihn als Dirigenten beurteilen würde. Ich weiß, dass er CDs aufnimmt – allerdings bei weniger als mittelmäßigen Musikfirmen, das muss gesagt werden – und dass er mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Gastdirigent eingeladen wird. Wenn Sie mir die Pistole auf die Brust setzen, würde ich sagen, dass er aus technischer Sicht ziemlich kompetent ist, aber es fehlt ihm an Flexibilität und – für einen echten Musiker ganz entscheidend – Fantasie.«
»Fantasie? Wozu braucht man die denn in der Musik?«
»Alle Musikstücke erzählen eine Geschichte. Wenn jemand eine Geschichte im Kopf hat, während er spielt, dann beeinflusst das die Spielweise. Für Lledó dagegen sind Noten einfach nur Noten. Wenn er am Pult steht, zieht er zwar eine große Schau ab, aber im Grunde dirigiert er fade, als wäre er in ein Korsett eingeschnürt.«
»Dürfte ich Sie fragen, worin Ihr beruflicher Konflikt mit Lledó besteht?«, fragte Perdomo, der die attraktive Posaunistin lieber weiter siezte.
»Sicher. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass die Stellen im Orchester hauptsächlich nach dem Probespiel vergeben werden. Natürlich zählt auch der Lebenslauf, und man muss die ärztlichen Untersuchungen hinter sich bringen, aber das Wichtigste ist, die Jury, die einen beurteilt, zu bezaubern.«
»Und Señor Lledó hat sich nicht von Ihnen bezaubern
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