Die Violine des Teufels
lesbisch.«
»Im Ernst? Also, das wäre das Letzte, was ich von Ihnen denken würde.«
»Das liegt daran, dass Sie mich noch nicht haben spielen hören«, sagte sie lachend. »Ich spiele wie ein Mann. In jeder anderen Hinsicht haben Sie recht, ich bin es nicht. Aber für Lledó war es so leichter hinzunehmen.«
»Hat er Ihnen das ins Gesicht gesagt?«
»Dazu war er zu feige, aber ich habe seine Bemerkungen von Dritten gehört. Weil er aber nicht nur ein Macho ist, sondern außerdem noch was gegen Homosexuelle hat, konnte er die Vorstellung, eine Lesbe im Orchester sitzen zu haben, und dann auch noch auf einem verantwortungsvollen Posten, noch schlechter ertragen.«
»Ich hatte schon von Señor Lledó gehört, aber noch nicht das Vergnügen gehabt, ihn kennenzulernen, und ich muss sagen, ich hatte vorhin nicht den Eindruck, dass er eine positive Ausstrahlung hat.«
»Er ist ein Mann, vor dem man sich hüten muss«, erklärte Elena Calderón. »Ich habe die Stelle der ersten Posaune bekommen, und er war noch nicht lange beim Orchester und verhandelte außerdem noch über ein paar offene Punkte in seinem Vertrag, also hat er erst mal stillgehalten. Aber seit er sich auf seinem Posten sicher glaubt, vor allem seit einer Fünften von Mahler, für die er in der Presse sehr gelobt wurde – und die war auch gut, das gebe ich offen zu –, seitdem hat er es auf mich abgesehen.«
»Hat er versucht, Ihnen zu kündigen?«
»Es war komplizierter. Im ersten Jahr war ich – wie mein Vertrag es vorsieht – in der Probezeit. Wenn Lledó mich in dieser Zeit hätte rauswerfen wollen, wäre das ganz einfach gewesen, denn nach dem Gesetz hätte er nur zwei schriftliche negative Gutachten beibringen müssen. Aber da er sich im Orchester noch nicht sicher fühlte, hat er nichts unternommen und damit diese Gelegenheit verpasst. Weil ich als Soloposaunistin eingestellt war, musste das Orchester nach der einjährigen Probezeit vollzählig abstimmen, ob ich bleiben sollte oder nicht, und ich wurde aufgenommen. Damals entschied Señor Lledó, sich gegen das Votum des Orchesters zu stellen, und degradierte mich zur zweiten Posaune. Danach –«
Sie hielt inne, weil sie Andrea Rescaglio, Ane Larrazábals Verlobten, erblickte. Er wollte Zigaretten kaufen. Über der Schulter trug er sein voluminöses Instrument, und seine Augen waren vom Weinen gerötet. Als er Elena Calderón und Perdomo sah, kam er zu ihnen, um sie zu begrüßen.
»Wir sind alle völlig entsetzt, Andrea«, sagte Calderón. »Wenn wir irgendetwas für dich tun können …«
»Danke«, erwiderte der Italiener. »Aber es gibt Menschen, die das alles noch schlimmer trifft. Ich fahre jetzt gleich zu Anes Eltern. Ich will in dieser schweren Zeit bei ihnen sein.«
»Kommen sie denn nicht her?«
»Morgen sicher. Aber ich möchte nach Vitoria, um sie abzuholen. Ein Freund fährt mich hin.«
Nachdem der Cellist seine Zigaretten gekauft hatte, ging er fort und ließ den Polizisten und die Posaunistin in Schweigen versunken zurück. Da platzte Gregorios halb kindliche, halb heranwachsende Stimme in die betroffene Stille.
»Papa, wann gehen wir?«
»Gleich«, antwortete Perdomo, holte sein Handy aus der Tasche und reichte es dem Jungen. »Hier, du kannst solange noch ein bisschen Tetris spielen.«
»Darf ich Nacho anrufen?«, fragte Gregorio.
»Heute Abend darfst du machen, was du möchtest«, sagte sein Vater.
Gregorio ging hinaus auf die Straße, um in Ruhe mit seinem Freund telefonieren zu können, und Elena Calderón sah ihm mitfühlend nach.
»Der Ärmste. Er hat mir so leidgetan, als er in der Garderobe in Tränen ausgebrochen ist …«
»Er hat vor eineinhalb Jahren seine Mutter verloren. Darunter leidet er immer noch sehr.«
Verlegen senkte sie den Blick.
»Tut mir leid, das wusste ich nicht.«
»Schon gut. Der Junge ist stark und wird darüber hinwegkommen. Wir werden beide darüber hinwegkommen.«
Sie sah auf die Uhr.
»Es ist schon spät. Mein Auto steht ganz in der Nähe. Wenn Sie wollen, kann ich Sie mitnehmen.«
»Danke, aber wir sind auch mit dem Auto hier. Wir gehen gleich, aber zuerst müssen Sie mir noch die Geschichte mit Lledó zu Ende erzählen.«
»Ich weiß nicht mehr, wo ich war.«
»Er hat Sie zur zweiten Posaune degradiert.«
»Ach, richtig. Ich bot ihm ein weiteres Jahr Probezeit an, damit er noch einmal Gelegenheit bekam, mir zu sagen, welche Aspekte meiner Spielweise ihm nicht gefallen.«
»Und hat er
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